■ IG Metall und Bundesregierung wieder auf Versöhungskurs
: Gedämpfte Stimme

Der Löwe hat gebrüllt. Er wurde gehört und spricht nun mit gedämpfter Stimme. Klaus Zwickel möchte jetzt nicht mehr das Bündnis für Arbeit aufkündigen, Gerhard Schröder lehnt die „Rente mit 60“ nicht mehr prinzipiell ab – und auch Arbeitsminister Walter Riester will noch mal darüber nachdenken: Gemeinsam mit seinem ehemaligen IG-Metall-Kollegen und den Rentenversicherungsträgern wird er nächste Woche die Finanzierbarkeit von Zwickels Rentenmodell prüfen. Experten kümmern sich nun um die Sache. Dieses Einlenken der Regierung entlastet Zwickel, zumal er für sich reklamieren darf, seine harten Töne auf dem Gewerkschaftstag in Hamburg hätten die Regierung wieder zum Nachdenken bewegt.

In Wirklichkeit haben Schröder und mehr noch Riester den alten Gewerkschaftskollegen aus der Schusslinie genommen, da er sich in die Idee der frühen Rente verrannt hatte. Schließlich führt der vorzeitige Renteneintritt zu einer Erhöhung der Versicherungsbeiträge um 0,5 Prozent. Das ergaben ältere Berechnungen – und das wird die Rentenrunde in der nächsten Woche feststellen. Nur: Klaus Zwickel brauchte dieses emotionsgeladene Thema, weil er bei der wichtigsten Zusammenkunft seiner Organisation ein Zeichen des Aufbruchs setzen wollte.

Also tagt der Kongress wie vorgesehen: Die Delegierten durften ihrem Unmut über die Bundesregierung Luft machen und das Sparpaket geißeln. Psychologisch mag das einen erleichternden Effekt haben; für das selbst gestellte Thema „Aufbruch ins nächste Jahrhundert“ ist es zu wenig.

In Hamburg wird nicht deutlich, wohin die IG Metall will. Sicher, Klaus Zwickel bekräftigt, es gehe um Arbeit und soziale Gerechtigkeit, um Dialoge mit Regierung und Arbeitgebern. Arbeit, Arbeit, Arbeit will er und nicht „die Nagelprobe gegen den Kapitalismus“. Dagegen kann man wenig einwenden, doch permanente Wiederholungen machen die IG Metall weder frischer noch attraktiver. Ihr laufen die Mitglieder davon: In den letzten vier Jahren verlor sie 240.000 Mitglieder, obwohl sie 170.000 Textilgewerkschafter schluckte. Berücksichtigt man dies, hat Klaus Zwickel in seiner Amtszeit sogar 410.000 Leute verloren. Noch ist die IG Metall mit 2,7 Millionen Mitgliedern die größte Einzelgewerkschaft. Aber „es gibt Zweifel an der Zukunftsfähigkeit“, mahnte Hauptkassierer Bertin Eichler in seiner Rede. Seine Feststellung bleibt in Hamburg jedoch ohne Folgen. Annette Rogalla