Ausstellung

Goethe unterwegs

Wo man in Deutschland auch hinkommt, J. W.Goethe war schon da: auf dem Brocken im Harz (drei Mal), auf den Höhen des Thüringer Waldes, denen des Böhmerwaldes ... Gedenkplaketten pflastern seinen Weg, seine Dichtung lebt von seiner Recherche. Ein „Faust“ ohne die Walpurgisnacht auf dem Brocken – undenkbar. Aus heutiger Sicht war Goethe ein Fitnessfan. Er nahm strapaziöse Fußmärsche auf sich, wenn nötig auch mitten im Winter. Als Reiseschriftsteller wie als Zeichner hat er seine Touren gut dokumentiert. Weniger bekannt ist, dass er dabei auch als Naturforscher aktiv war.

Multitalent Goethe habe „Zeit seines Lebens im Reisen Heilung, (Er)Lösung und Bereicherung gefunden“, so der Begleittext einer Ausstellung im renommierten Frankfurter Naturmuseum Senckenberg. Dort hat man sich nun an die Fersen des Naturwissenschaftlers Goethe geheftet: „Goethe quer durch Europa“ heißt eine Ausstellung, die das Museum inmitten seiner vorgeschichtlichen Preziosen platziert hat. Im Schatten der Riesenskelette von T-Rex, Dinos, Mammuts und Walfischen trifft man wieder auf die Spur des berühmten Dichters, der sich hier vor allem als der Mann mit dem Hämmerchen präsentiert. „Ich kaufe hier einen Hammer und werde an den Felsen pochen, um des Todes Bitterkeit zu vertreiben“, tut Goethe auf einer Stellwand kund und gesteht im nächsten Satz, „lüstern nach einem Stück Stein“ zu sein.

Wissenschaftlich gesehen hat sich Goethe für die „Natur der Steine“ interessiert, nämlich für ihren erdgeschichtlichen Entstehungsprozess.

Seine Kenntnisse, erklären die Ausstellungsmacher, entsprachen dem damaligen Stand der Naturwissenschaften (Ende 18. Jahrhundert), versiert mischte er im wissenschaftlichen Diskurs mit. Sie erklären so auch seine Faszination für den Brocken im Harz: Der Granitfels war ihm ein „Urgebirg“. Bei der Besteigung des Vesuv in Italien ging es ihm vor allem um die Erforschung des Vulkanismus. Leider, so erfährt man auch, war Goethe ein Anhänger der falschen naturwissenschaftlichen Richtung: Dass Granit das Urgestein sei, stellte sich als falsch heraus.

Richtiger lag der große Denker jedoch in einer anderen Disziplin: Seine Entdeckung des Zwischenkieferknochens beim Menschen war eine Pioniertat entgegen dem wissenschaftlichen Mainstream. Und seit seiner Besteigung des Schweizer Gotthard gilt er auch als der „geistige Vater der Theorie zu den globalen Eiszeiten“ – weil er als einer der ersten (1829) die Hypothese einer Großvereisung formulierte. Christel Burghoff‚/B‘

Katalog: Kleine Senckenberg-Reihe Nr. 30, 176 Seiten. Die Ausstellung ist bis zum 2. Januar 2000 zu sehen. Naturmuseum Senckenberg, Senckenberganlage 25, 60325 Frankfurt am Main, Tel.: (069) 75 42-0, http://www.senckenberg.uni-frankfurt.de