Zum Sleep-in auf den Holzschuppen

Was vom Konzeptualismus übrig blieb: In Aachen, Potsdam und Berlin zeigen vier jüngere Künstler aus den USA und Australien, wie pop die gern als sperrig und selbstbezüglich gehandelte Theoriekunst der Sechzigerjahre heute aussehen kann  ■   Von Gregor Jansen

Global Conceptualism“ hieß eine viel beachtete New Yorker Ausstellung in diesem Sommer. Dort wurde eine neue Kartografie und Kunstgeschichtsschreibung verfolgt, die nicht nur auf konzeptuelle Ansätze bezogen war. Stattdessen war eine Erweiterung des künstlerischen Blickwinkels gefordert, die mit der geografischen Ausweitung einherging: Vom Zentrum an die Peripherie führt das expanded field, frei nach der amerikanischen Kunsttheoretikerin Rosalind Krauss.

Nun spielt sich innerhalb der Konzeptkunst aber auch ein Generationenwechsel und eine damit verbundene Annäherung beziehungsweise Distanz zu den Originalen ab. Heutige Konzeptualisten sind in den späten Sechzigerjahren geboren. Wie die Revisionen der oftmals schwer visualisierbaren Konzepte, die Jargons und „neuen kritischen Idiome“ (Dieter E. Zimmer) oder ästhetischen Formensprachen aussehen, wird zur Zeit an drei Orten beispielhaft vorgeführt. Vier jüngere Künstler aus den USA und Australien zeigen in Aachen, Berlin und Potsdam ihre Sicht von „Global Conceptualism“. Sie demonstrieren, dass Zentrum und Peripherie fragwürdige Kategorien geworden sind und medienreflexive cultural studies humorvoll ausfallen können.

Der New Yorker Steven Brower etwa thematisiert die eigene Ausstellungsbeteiligung: Er zeigt in Aachen ein mit Faxen beklebtes Raummodell des Kunstvereins. Darin stehen drei an die Musiker von Kraftwerk erinnernde Figuren, von denen eine gleich zwei Köpfe trägt. Auf eine Staffelei gestellt, zeigt ein realistisch gemaltes Ölgemälde zudem die Protagonisten der Ausstellung, die scheinbar eine Gruppe um den exponiert stehenden Michael Stevenson bilden. Brower führt damit das Scheitern der Vision von konstruktiver Kommunikation für die Gruppenausstellung vor, die im Vorfeld als Teamwork konzipiert war. Angeregt wurde dieser Zusammenschluss durch die 1998 im Aachener Museum gezeigte Sammlung Schürmann, deren Titel „Entropie zu Hause“ eine Anspielung auf Robert Smithson war.

Als Wahlverwandter des früh verstorbenen Land-Art-Künstlers bildet Sam Durant aus Los Angeles mit seinen Arbeiten eine Schlüsselposition, da in ihnen Smithsons Denkart auf atemberaubende Weise in den poptheoretischen Diskurs überführt wird. Das Erkenntnisinteresse liegt bei Durant in einem neuen Umgang mit Kunsttheorie und der Rolle des Künstlers in Verbindung zu Rock- und Medienstars.

Daneben zeigt der gebürtige Neuseeländer Michael Stevenson gemeinsam mit Danius Kesminas aus Melbourne in beiden Kunstvereinen die gleiche Filmarbeit. Inmitten von Fanartikeln eines australischen Football-Klubs finden wir den Hinweis auf ein Video, das ein bekanntes Interview mit dem deutschen Maler Gerhard Richter zum Inhalt hat. Dieses Interview ist von Stevenson/Kesminas als Theaterstück inszeniert und gefilmt worden – mit australischen Schauspielern und deutschen Untertiteln. Die Rekonstruktion des Gesprächs über Malerei führt zu abstrusen Situationen, die das Theoriegebäude als Theater aufscheinen lassen. Der Macht-Wissens-Komplex gegenüber Richter wird zum ebenso persönlichen wie fiktionalen Modell des Scheiterns und des nostalgischen Abgleichs mit dem Übervater.

Zuletzt liefert die Einzelausstellung von Sam Durant in der Berliner Galerie Kapinos eine Auseinandersetzung mit Smithsons „Partially Buried Woodshed“ von 1970, dem mit Erde überschütteten Holzschuppen auf dem Campus der Kent State University. Durant stellt zwei Modelle des Holzschuppens übereinander, das obere teilweise verbrannt, das unter intakt mit zwei CD-Playern, die über vier Lautsprecher Neil Youngs „My, My, Hey, Hey (out of the blue)“ und Nirvanas „All Apologies“ simultan und endlos spielen. Die politisch-kulturellen Kontexte werden anhand einer Arbeit und eines Ortes rekapituliert, an dem vier Demonstranten gegen die Kambodscha-Ausweitung des Vietnamkrieges erschossen wurden. Neil Young bezieht darauf in seinem allegorischen Song Stellung, auf den wiederum Kurt Cobain in seinem letzten Brief eingeht. Ein vertrackter Kreis schließt sich: Todessymbol und Grabstätte, Kult und Entropie, Popstars und Protestgebaren – Durant erzeugt eine Stimmung, die diese Momente einschließt und dennoch präzise visuell und ästhetisch umsetzt. Und Durants Fotos, auf denen Menschen sich über dem Modell des Holzschuppens ausgebreitet haben wie bei Smithson damals der Erdhaufen, sind einfach zauberhafte Metaphern für die heutige Identifikation und Eigenpositionierung. „What Your Children Should Know About Conceptualism“. Bis 31. 10. im Brandenburgischen Kunstverein Potsdam und bis 15. 11. im Neuen Aachener Kunstverein. Sam Durant. Bis 6. 11. in der Galerie Kapinos, Berlin.