Was ist geblieben von der DDR?
: Der andere Rhythmus

■ Der Apotheker Roland Schmidt (36) meint, Touristen kultivieren Vorurteile

Bis 1954 gab es an diesem Standort bereits eine Apotheke. Die haben die Russen aber geschlossen, weil der Apotheker Arzneimittel aus dem Westen bezogen und im Osten vertrieben hat. Jetzt ist dieser Standort wieder interessant geworden, und so wurde vor anderthalb Jahren eine neue Apotheke eröffnet. Das heißt, die Gegend hier, in der es noch viele Plattenbauten und Bewohner aus DDR-Zeiten gibt, durchmischt sich. Einiges belebt sich, aber die Zahl der Zugezogenen, die in schicken Büros in der Friedrichstraße arbeiten, überwiegt inzwischen. Die anderen ziehen sich immer mehr zurück.

Man merkt den Unterschied der Herkunft der Kunden, wenn sie nach spezifischen Präparaten fragen, die es nur in der DDR gab und hinter denen sich jetzt grosse Westunternehmen verbergen. Das sind Schmerztabletten oder bestimmte Einreibungen, nach denen ein Westdeutscher nie fragen würde. Der Anteil dieser Produkte ist aber gering und nimmt weiter ab, weil hier mehr Westpublikum ist. Ich habe vorher in einer Apotheke gearbeitet, die weiter im Osten lag, da gab es nur solche Produkte. Qualitätsunterschiede gibt es nicht. Das sind teilweise Arzneimittel, die schon vor dem Mauerbau existierten und dann eine getrennte Geschichte erfahren haben und nach der Wiedervereinigung zusammengeführt wurden.

Die Art der Kommunikation im Osten ist auch anders. Ich habe hier den konkreten Kontrast: Auf der einen Seite die Dienstleister aus der Friedrichstraße, bei denen alles sehr schnell gehen muss. Wenn die nicht sofort drankommen, gehen sie in die nächste Apotheke. Leute, die dagegen schon immer hier wohnen, bringen einen anderen Rhythmus mit.

Die Mauer in den Köpfen spielt hier keine Rolle. Es gibt den einen oder anderen Kunden, der eine bestimmte Stimmung verbreitet aufgrund persönlicher Erfahrungen. Aber im Großen und Ganzen ist das Schnee von gestern. Die Vorurteile, die es gibt, kommen von Touristen, die in der Friedrichstraße ihren Einkaufsbummel machen und auf der Suche nach einer Apotheke bei mir landen. Wenn das gewünschte Präparat nicht da ist, habe ich schon öfter gehört „Das müssen wir dann eben im Westen holen.“ Solche Dinge muss man einfach ausblenden. Alles andere führt auch in der Zukunft zu nichts. Aufgezeichnet von Barbara
Bollwahn de Paez Casanova