■ Vorlauf
: Stumme Klage

„Später wird's mal“, 22.15 Uhr, ORB

Herr Baer, ein einfacher Mann Ende 50, versteht es nicht, sich flott zu artikulieren. Seine Sprache ist monoton, seine Wortwahl die der VEB-Betriebe und Akten. Rund um Fürstenberg/Havel waren zu DDR-Zeiten 40.000 sowjetische Soldaten stationiert. Im Jahre 1987 verlor der neben einer Russenkaserne wohnende Herr Baer seine beiden Söhne. Beim Sammeln leerer Flaschen wurden die Teenager von einem überforderten Sowjetsoldaten erschossen. Vater Baer hörte die Schüsse mit an. Der Vorfall wurde von der Staatssicherheit vertuscht. Gegen die Anordnungen öffnete derVater die Särge. Einer der Jungen war mit einem Genickschuss getötet worden.

Regisseur Peter Dommaschk lässt drei Menschen von der DDR erzählen, von ihrem Leben damals und vor allem vom Ende ihrer Hoffnungen. Der Film atmet stumme Schwermut, und der von der Eingangsgeschichte angeschlagene Grundton wird auch in der Folge von keinem Regiedekor gemildert. Die Bilder, die Dommaschk für die Tragödie der Familie Baer findet, sind zeitlos und von wuchtiger Einfachheit. Er setzt Natur als Gegenbegriff zu menschlicher Fragilität. Die Gräber der Jungen scheinen von einer Landschaft aufgenommen wie von einem Zuhause. Dieser Ansatz der großen Zusammenhänge bewirkt die stärkste Erschütterung beim Zuschauer.

„Später wird's mal“ ist ohne Zweifel eine Dokumentation, mehr aber noch stille Klage. Die Berichte der „Digedag“-Zeichnerin Loni Rietschel und des aus Dresden stammenden Schauspielers Jan Josef Liefers müssen in ihrer Gewichtung hinter Herrn Baer zurücktreten. Die Erzählungen seiner drei Protagonisten bebildert Dommaschk kontrastiv, nicht illustrierend. So vermeidet er alles Billige, Denunziatorische oder gar Politisch-Tendenziöse. Es geht einzig um die Erfahrungslast der Berichtenden und nicht um deren Ausbeutung. Der Regisseur nimmt sich als Frager völlig zurück. Sein Film wurde an der Kunsthochschule für Medien Köln als beste Abschlussarbeit nominiert und hätte weit mehr verdient. Anke Westphal