Mutter darf bleiben, Tochter nicht

■ 16-Jähriger droht Abschiebung, weil Familie von Sozialhilfe lebt

Ein 16-jähriges Mädchen aus Ghana ist am Dienstagabend in der Wohnung ihrer Mutter von der Polizei festgenommen worden, um sie in ihr Herkunftsland abzuschieben. Ob die Abschiebung, die für gestern Abend angesetzt war, tatsächlich durchgeführt worden ist, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Die heute 16-jährige Charlotte O. lebt seit vier Jahren bei ihrer Mutter in Berlin. Während die Mutter bleiben darf, soll ihre Tochter nun nach Ghana zurück. Denn im Gegensatz zu ihrer Mutter hat Charlotte O. keinen festen Aufenthaltsstatus. Diesen bekam sie auch im Rahmen der Familienzusammenführung aus zwei Gründen nicht: Zum einen bezieht die Mutter ergänzende Sozialhilfe, ein Ausschlussgrund für die Familienzusammenführung. Zum zweiten ist das Mädchen mit 16 Jahren dafür inzwischen zu alt. Der Rechtsanwalt Matthias Böhm hat gestern mit einem Asylantrag in letzter Minute versucht, die Abschiebung des Mädchens nach Ghana zu verhindern.

LehrerInnen und MitschülerInnen haben gestern vor der Gefangenensammelstelle am Tempelhofer Damm für die Freilassung des Mädchens demonstriert. „Es ist menschlich unerträglich und skandalös, dass eine 16-Jährige von ihrer Familie getrennt und für die ökonomisch unzulänglichen Bedingungen ihrer Familie bestraft wird“, so Ruth Garstka, die Leiterin der Robert-Jungk-Oberschule in Wilmersdorf. Sie forderte die Innenverwaltung auf, ihre Entscheidung zu überdenken.

„Rechtlich ist alles korrekt“, sagte Christine Thomas-Khaled, Juristin beim Afrika-Center in Schöneberg, „und trotzdem unmoralisch und skandalös“. Thomas-Khaled hat Charlotte O. gestern in der Gefangenensammelstelle am Tempelhofer Damm besucht. „Das Mädchen hat Angst, dass sie nun in Abschiebehaft genommen wird“, so die Anwältin. „Sie will auf keinen Fall ins Gefängnis, lieber geht sie nach Ghana zurück.“ Enge Verwandte hat Charlotte O. dort nicht.

Das Afrika-Center und die katholische Friedensorganisation Pax-Christi haben gestern versucht, in Ghana Unterstützung für das Mädchen zu organisieren. „Es ist unfair, dass Ausländern das Recht verwehrt wird, ihre Kinder bei sich zu haben, wenn sie Sozialhilfe beziehen“, kritisierte Traudl Vorbrodt von Pax Christi. Sabine Seyb von der Antirassistischen Initiative sprach von einem „absoluten Skandal“: „Familien dürfen nicht aus formal juristischen Gründen auseinander gerissen werden.“ Karin Hopfmann, flüchtlingspolitische Sprecherin der PDS kritisierte das Vorgehen der Innenbehörde als „skandalösen Fall von Machtmissbrauch“, der der UN-Kinderrechtskonvention widerspreche. Die Innenverwaltung wollte gestern keine Stellungnahme abgeben. „Zu Einzelfällen äußern wir uns nicht“, sagte Isabelle Kalbitzer, die Sprecherin.

Sabine am Orde