Die Altvorderen

■ The Charlatans und Suede liefern Nostalgie in Sachen Rave und Brit-Pop

Hallo, Pop-Britannien, wie gehts denn so? Nicht besonders, glaubt man dem Zentralorgan NME. Nun will es der Zufall, dass an zwei Abenden zwei Überlebende der letzten großen Wellen britschen Gitarrenpops in Hamburg gastieren: die Charlatans und Suede. Doch die Bands wollen nicht für Nostalgieabende in Sachen Rave respektive Brit-Pop zur Verfügung stehen. Denn mit über 30-jährigen Sängern und Bandgeschichten voller Schicksalsschläge geht es ihnen längst um individuelle künstlerische Positionen – vulgo: Reife.

Wer das chronologisch sortierte Best-of-Album der Charlatans hört, merkt, dass die Entwicklung dieser Band gut getan hat: Die frühen Songs mit dem Funky Drummer, zu denen einst in Baggy Trousers getanzt wurde, klingen gealtert und überraschend dünn. Im Laufe der Jahre wandten sich die Charlatans zu klassizistischem Groove-Rock hin, mit den Frühsiebziger-Rolling Stones als Hauptvorbild. Auf Us & Us Only, dem ersten Album ohne den tödlich verunglückten Keyboarder Rob Collins, kommt nun ein starker Bob-Dylan-Einfluss hinzu.

Suede hingegen tun sich schwer mit dem Altern; vor allem, weil die Band früher sehr gut war: Bernard Butlers aufregende Glam-Rock-Gitarre und Brett Andersons sexualisierten David-Bowie-Posen waren 1992 britische Popmusik, die um ihr kulturelles Erbe wusste und trotzdem in der Gegenwart zur Identifikation einlud. Die Folge davon hieß Brit-Pop. Seit Butler die Band verlassen hat, riskieren Suede beständig die Selbstparodie. Brett Anderson zehrt in seinen Texten noch immer von den Bildern einer romantisierten Vorstadtjugend, aber die Dringlichkeit ist ihm abhanden gekommen. Das neueste Album Head Music klingt mit seinen gelegentlichen Elektroniksounds zwar ganz gut, aber ob sich die romantische Vorstellung des Außenseiters, der sich durch Musik endlich verstanden fühlt, damit noch erfüllen lässt?

Die Rettung des britischen Gitarren-Pop aus der Stagnation sucht der NME bei diesen beiden Altvorderen aber gar nicht erst. Zu den dort derzeit hoch gehandelten Bands zählen hingegen die Super Furry Animals, die neben eklektischen Songs zwischen Pop und Psychedelik damit beeindrucken, dass sie sich vom aufkommenden walisischen (Pop-)Nationalismus deutlich distanzieren. Als hätten es Suede nicht schon schwer genug: Diese Aufsteiger spielen bei ihnen im Vorprogramm. Felix Bayer

Suede, Super Furry Animals: So, 21., 21 Uhr, Große Freiheit The Charlatans: Mo, 22. November, 21 Uhr, Grünspan