Der Gottesabwesenheitsbeweis

■ Zwei haben ein Buch geschrieben. Kaum zu glauben. Nicht zu fassen. Aber wahr

Ein Wunder. Ein schierer Wahnsinn von Wunder. Ein Wahnsinnswunder. Es gibt dieses Buch wirklich. Kostet, o Mirakel der Marktwirtschaft, grad 39,80 Mark. Dabei ist es unbezahlbar. Dieser über dreihundert Seiten hirnmassenstarke Klotz. Nicht aufzuwiegen. Mit nichts auf der Welt. Dieses Mysterium, es ist nicht von dieser Welt. Aber was gibt es nicht alles auf dieser Welt!

Wir möchten's ja durchaus nicht glauben. Zwickt uns jemand? Nein, nicht nötig. Nein, dieses Buch hätte es nie geben dürfen. Der Allmächtige hätte es verhindern, hätte notfalls Wälder lodern und die Papierfabriken brennen oder Kometen niedersausen lassen oder gleich den Globus wegbomben müssen, bevor dieses unfassbare Ding von Buch, diese Schlimmbotschaft hätte ausgehändigt werden können.

Ojemine, ogottorisotto. Was ein Schleim und Würg und Gewichse, dieses fantastische Buch, ha!, ja, da liegt es. Kaum zu glauben. Der List Verlag. Er „ist listig insgesamt“ und „erhofft sich den Sieg über die Übergewalt der Welt“ (Adorno) und räumt ab.

Ein Wahnsinn. Der Herr im Himmel hätte den beiden das verbieten, klipp und klar und knapp untersagen müssen. Man hält sich die rauchende Rübe. Es ist aber so. Es ist nicht dran zu knapsen: Es existiert.

Nein, das hätte kein Mensch außer den beiden aushecken können, nicht mal Hitler. Diesen „Dialog“. Über Reinheit und Ekstase. Auf der Suche nach der vollkommenen Liebe. Die bald neunzig weise Lenze zählende Wahlitalienerin und der „vierzig Jahre jüngere Schriftsteller und TV-Moderator“. Die beiden, genau die beiden. Man wird verrückt. Es ist wahr.

Sie dringen „in immer tiefere Gefilde der Liebe vor“. „Was sich dabei abzeichnet als Vision, ist ein mythisch-spirituelles Bild, das immer wieder darauf befragt wird, wie es ganz konkret, ganz sinnlich in der heutigen Zeit, einer Zeit 'ohne Moral‘, zu leben ist.“ Wie es zu leben ist. Das Bild.

Ob sie mir den Rest geben wollen? Mit ihrem „ebenso intimen wie schonungslos offenen Zwiegespräch über die Liebe“?

Wahrscheinlich. Das ist der Plan. Der angestoßen ward durch IHN, weil ER Abaelards Liebe gelesen hatte, IHR schrieb und SIE gockelte, ER und SIE hätten die östlichen „mit modernsten westlichen Philosophien überstiegen und durchbrochen“ und via „Zwillingsseelen“, die „Heilige Hochzeit“, den „Kula-Ring“ usf. volle Arschbacke rekombiniert als „Eurydike und Orpheus“, „Eros und Thanatos“ und aber echt „Alpha und Omega“.

Ich halte es, nein, nicht mehr wirklich aus. Dass es das gibt. Dies „durchaus Scheißige“ (Goethe), dies grundvergammelt Verrotzte. „Die Liebe“, spricht SIE, erfahrungssatt wie Lumpi und Lump, „in all ihren Formen und Miss-Formen.“ Und Miss-Wahlkurvensensationen. Und Miss-ing Links. Und Miss-understandings. „Die Liebe als die große Mangelerscheinung in unserer Zeit-Welt. Eigentlich ... spielten wir die Rolle der Analytiker und Therapeuten für unsere Mitmenschen, die nicht lieben können.“

Außer denen. „Das Männliche im Mann ist der Krieger, der Seefahrer, der Bergdurchschürfer“, saufaselt SIE und stöhnt: „Vieles mag in den Ohren konservativer, fundamentalistischer, moralisierender Leser provokativ, ketzerisch klingen.“

Ich werde bald sicher CDU wählen, damit das hier verboten wird und eine, die plärrt: „Ich habe [...] vor Jahren ... ein Buch geschrieben mit dem Titel: Mit wem reden. Das hieß so viel: Ich möchte mit jemand reden“ – damit die das nicht mehr tun darf. Es muss doch ein Recht herein in die Welt.

Ein Wunder. „Wir waren nicht immer einer Meinung, aber in einem Punkt waren wir ganz und gar einig: Die Menschheit hat nur dann Zukunft (eine positive Zukunft), wenn sie lernt zu lieben. Unser Buch trägt, ungedruckt, den Titel: Heilung durch Liebe.“

Verfasser dieses gedruckten Meilenhinkelsteingigantengeisteswurfes, dieses unerreichten, Hass säenden Übels, dieses eiskalten Drecks: der: Hans Christian Meiser. Und: Luise. Luise. Rinser.

Nun dürfte jedem klar sein, dass es keinen Gott gibt.

Ich warte auf den Gegenbeweis.

Jürgen Roth