Es ist zum Schämen

betr.: „Bleiberecht im Tausch gegen Abschiebung“, „Nichts Neues bei Rot-Grün“, taz vom 20./21. 11. 99

Die neue Härtefallregelung der Innenminister ist eine bodenlose Unverschämtheit. [...] Erst verweigert man den Menschen, Arbeit aufzunehmen, nicht nur durch Verweigerung der Arbeitserlaubnis, sondern auch durch eine Negativliste, in der die Berufe stehen, die Asysuchende nicht ausüben dürfen, und dann fordert man, dass sie nur dann hier bleiben können, wenn sie ihren Lebensunterhalt durch eigenständige Arbeit sichern können.

Das gleiche gilt für den Nachweis einer ausreichenden Wohnung. Wer nimmt denn heute noch gerne Ausländer, am Ende gar Farbige? Zudem wird ihnen durch das Asylbewerberleistungsgesetz der Zugang zum allgemeinen Wohnungsmarkt geldmäßig ja schon fast unmöglich gemacht. Aber wiederum: Bleiben darf nur, wer ausreichenden Wohnraum nachweist. Von den kleinen Gemeinheiten der Regelung wie: kein Familienmitglied darf mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sein, wollen wir mal schweigen.

In den letzten Jahren der CDU-FDP-Regierung ist mit vielen kleinen und großen Schweinereien die Ausländergesetzgebung in Deutschland mehr und mehr verschlechtert worden. Ich denke da an Kindervisa, Familienzusammenführungskriterien u. a. Hoffnung setzte man auf die neue rot-grüne Regierung, die sogar in ihrem Koalitionspapier Besserungen versprach. Das Gegenteil ist der Fall. In der Ausländerpolitik kann die rot-grüne Bundesregierung der vorherigen die Hand reichen. Es ist zum Schämen.

Hildegard Lisse, Aachen

[...] Diese Beschlüsse, fallen noch weit hinter die Regelung zurück, wie sie 1996 durch die gleiche Innenministerkonferenz gefällt worden war. Damals sollten mit diesen Beschlüssen bundesweit 80.000 Menschen in den Genuss eines sicheren Bleiberechts kommen, es waren dann konkret nur etwas mehr als 7.000 Personen. Auch in diesem Fall werden nur sehr wenige durch diese Beschlüsse in Deutschland bleiben können, denn fast alle für die Rückkehr sehr problematischen Personen fallen aus dieser Regelung heraus. Den meisten war es aufgrund ihres Status bisher gar nicht möglich, die geforderten Integrationsvoraussetzungen zu erfüllen. Durch die Stichtagsregelung des 19. November ist den meisten bewusst die Möglichkeit verwehrt, ihre Integrationsbemühungen unter Beweis zu stellen. In der Praxis ist diese Regelung strenger und schärfer als die unter der konservativen CDU/FDP-Regierung.

Unter den Betroffenen befinden sich viele traumatisierte Flüchtlinge. Viele sind im Asylverfahren nur deshalb abgelehnt, weil sie ihre schweren traumatischen Erlebnisse (Folter, Gefängnis, Vergewaltigung) nicht in geforderten Details haben erzählen können. Viele von ihnen sind schon länger als fünf Jahre in Deutschland, zum Teil psychisch wie physisch krank und lebten in der ihnen noch einzig verbleibenden Hoffnung auf diese „Altfallregelung“. Für viele von ihnen wird nun endgültig der Glaube an den Rechtsstaats und die Möglichkeit der Anerkennung ihres schlimmen Leides zerstört werden. Sie müssen weiterhin bangen, in ihr Verfolgerland zurückgeschickt zu werden, wovon sie nicht nur zu physischen, sondern auch zur seelichen Rettung geflohen sind. [...]

Die bedrückende Situation dieser Menschen wird sich in Zukunft weiter verschärfen. Viele werden in die nicht gewollte Illegalität abgedrängt, anstatt ihre Integrationsbemühungen zu honorieren. Die Beschlüsse der Innenminister zeugen von kleingeistiger Kurzsichtigkeit, die andere Länder, zum Beispiel Italien, längst überwunden haben. Dort haben in den letzten Jahren mehr als 800.000 illegal Lebende ein sicheres Bleiberecht erhalten.

Ernst-Ludwig Iskenius, Villingen