Patt im Steuerstreit

■ Bundestag lehnt den Entwurf des Vermittlungsausschusses ab

Bonn (taz) – In einer Sondersitzung des Bundestages lehnte gestern die Regierungskoalition den mit Stimmen der SPD und der Bündnisgrünen gefaßten Beschluß des Vermittlungsausschusses zum Jahressteuergesetz ab. Das Ergebnis war nicht anders zu erwarten. Regierung und Opposition haben sich schon im Vorfeld der rund 150.000 Mark teuren Sondersitzung gegenseitig die Schuld für das Debakel um das Jahressteuergesetz zugeschoben. In der Debatte ging die Zankerei munter weiter. Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) warf der SPD vor, ihr Vorschlag „entbehrt ökonomischer Logik und politischer Verantwortung“ und hinterlasse ein Finanzloch von mehr als 40 Milliarden Mark. Außerdem sei der Lastenausgleich von Bund, Ländern und Gemeinden „nicht fair“. Während sich das Finanzdefizit beim Bund bis 1999 auf mehr als 45 Milliarden Mark erhöhe, würde es für Gemeinden und Länder um mehr als 30 Milliarden Mark verringert.

Den Vorwürfen hielt Ingrid Matthäus-Maier (SPD) entgegen, daß die SPD die Erhöhung des Kindergeldes und des steuerfreien Existenzminimums über Subventionsabbau bezahlen wolle. Eine Einigung zwischen SPD und Unionsparteien habe die FDP als „hartnäckigster Lobbyist von Suventionen“ vereitelt. Mit dem SPD-Entwurf würden Durchschnittsverdiener und Familien „deutlich entlastet“. Die Höhe der Einsparungen für eine vierköpfige Familie steige von 480 Mark im kommenden Jahr auf 1.700 Mark im Jahr 1999. Die von der Regierung vorgeschlagenen 12.000 Mark als steuerfreies Existenzminimum sei „verfassungswidrig“, weil sie – und hier zitierte Matthäus-Maier aus einem Waigel-Papier – „etwas unter Sozialhilfe-Niveau“ liege.

Kerstin Müller (Bündnis 90/Die Grünen) hielt Waigel vor, daß er die Verantwortung dafür trage, daß das vom Bundesverfassungsgericht vor drei Jahren eingeklagte Steuergesetz in letzter Minute durchgepeitscht werden müsse, weil sein Haus nicht in der Lage war, rechtzeitig einen verfassungskonformen Entwurf vorzulegen. Tritt das Gesetz zum 1. Januar 1996 nicht in Kraft, kann jeder seine Einkommen- oder Lohnsteuer selbst festlegen. Karin Nink