Bis daß der Richter euch scheidet

■ Professor und seine Frau in Ägypten zur Zwangstrennung verurteilt

Kairo (taz) – Ägypten erlebte diese Woche einen Präzedenzfall islamistischer Inquisition. Das Kairoer Berufungsgericht für Ehefragen verurteilte am Mittwoch den Linguistikprofessor Nasr Hamid Abu Zeid und seine Frau Ibtihal Muhammad Yunis zu einer Zwangsscheidung.

Nachdem der Richter Faruq Abdel Alim die Freunde und Unterstützer Abu Zeids zur Ruhe gemahnt hatte, verkündete er innerhalb von weniger als einer Minute seinen Urteilsspruch. In seiner anschließenden Begründung erklärte der Richter, daß Abu Zeid durch seine Schriften dem Islam abtrünnig geworden ist und daher von seiner muslimischen Frau geschieden werden müsse.

Der Fall Abu Zeid erhitzt nun schon seit drei Jahren die Gemüter der ägyptischen Islamisten und der liberalen Intellektuellen zugleich. Der Literaturprofessor hatte es gewagt, die heiligen islamischen Texte mit modernen linguistischen Methoden zu analysieren.

Vor zwei Jahren beantragte daraufhin eine Gruppe islamistischer Anwälte die Scheidung auf der Grundlage, daß Abu Zeid vom Islam abgekommen sei und nach geltendem Recht nicht mit einer muslimischen Frau verheiratet sein kann. In Ägypten ist die Scheidungsklage die einzige Möglichkeit, auf rechtlichem Weg Apostasie, also die Abtrünnigkeit vom Islam, nachzuweisen. Im Januar 1994 hatte ein Gericht die Klage der Islamisten abgewiesen. Die Kläger hätten kein Eigeninteresse an der Scheidung, lautete damals die Begründung.

Die jetzige Entscheidung kommt umso überraschender, weil Abu Zeid erst vor zwei Wochen gerichtlich seine Beförderung an der Kairoer Universität durchgesetzt hatte. Dort hatte man ihm jahrelang die Beförderung verweigert, mit der Begründung, er sei ein Ungläubiger.

Nachdem Abu Zeid nach dem Urteil zunächst nicht ansprechbar war, verkündete er und seine Frau nun, daß sie vor dem Kairoer Kassationsgericht Berufung einlegen wollen. Rein rechtlich müßte das Paar bis zur endgültigen Entscheidung getrennt leben.

Der Linguistikprofessor selbst beschreibt die Entscheidung als „hart an der Grenze zur schwarzen Komödie“. Für die liberalen Intellektuellen ist das Urteil ein Schock. Viele von ihnen waren zunächst sprachlos. „Dieses Präzedenzurteil bedroht alle Intellektuellen in Ägypten. Auf dessen Basis kann jetzt jeder als Ungläubiger angeklagt werden“, kommentierte Abu Saad von der ägyptischen Menschenrechtsorganisation EOHR.

Selbst moderate Islamisten wie der Anwalt Kamal Abul-Magd wenden sich kopfschüttelnd von dem Urteil ab. „Abu Zeid hat nie zugegeben, ein Apostat zu sein. Wie kann ein Gericht dies entscheiden?“ fragt er.

Dagegen zeigen sich andere Islamisten wie Youssef al-Badri, der Sprecher der klagenden Anwälte, siegesbewußt: „Dieser Mann hat unsere Religion verflucht. Wir haben ihn vor Gericht gebracht und gewonnen“. Das, so Badri, sei besser als ihn mit terroristischen Methoden zu verfolgen.

Abu Zeid wirkte in den letzten Monaten nach jahrelangem Kampf müde. Bereits mehrmals hatte er sich überlegt, ins Ausland zu gehen. Als Apostat abgestempelt, muß er nun jederzeit damit rechnen, zum Opfer militanter Islamisten zu werden. Die haben ihn schon vor Jahren ganz oben auf ihre Todeslisten gesetzt. Karim El-Gawhary

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