„Altfall“: Bremen auf harter Bayern-Linie

■ Geregelte Härte: Altfallregelung heißt Ausreise für viele ausländische Familien / Kritik an Bremer Weg

Bremen zeigt bayerische Härte. Hintergrund ist die von den Länder-Innenministern vor drei Wochen vereinbarte „Altfallregelung“. Sie sollte ausländischen Familien, darunter AsylbewerberInnen, deren Verfahren übermäßig lange dauerten oder solchen, die wegen der politischen Verhältnisse im Heimatland trotz Ablehnung nicht zurück geschickt werden können, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht einräumen. Doch vom ursprünglichen Zielgedanken, mit klaren Bleiberechtsregeln menschliche Härten möglichst zu vermeiden, sei wenig übrig geblieben, kritisieren Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl, der Bremer Menschenrechtsverein, die Flüchtlingsinitiative Friesenstraße und spezialisierte Anwälte wie Albert Timmer. Sie fürchten die Ausweisung zahlreicher Familien, wenn die sogenannte „Stichtagsregelung“ strikt eingehalten wird. Genau dies aber soll geschehen, bestätigte der Sprecher der Bremer Innenbehörde. „Der Beschluss der Innenminister ist sehr klar abgefasst“, so Hartmut Spie-secke. Auslegungsspielräume sehe er nicht. Bremen hat als eines der drei ersten Bundesländer die Umsetzung des Beschlusses geregelt.

Danach hat nur Aussicht auf Bleiben, wer am 19. November dieses Jahres seinen Lebensunterhalt mit eigener Arbeit verdiente. Auch Bremens Ausländerbeauftragte sieht das als Problem. „Viele Asylbewerber hatten sogar einen Stempel im Pass, wonach sie überhaupt keiner Erwerbstätigkeit nachgehen durften“, sagt Dagmar Lill. „Einzelfälle belegen mir, dass die Stichtagsregelung nicht funktionieren kann.“ Gerade habe etwa eine junge Türkin bei ihr Rat gesucht. Die Frau lebt seit 1988 in Deutschland, ging hier zur Schule, „spricht perfekt deutsch – durfte aber wegen ausländerrechtlicher Regelungen nie eine Ausbildung machen“. Jetzt müsse sie ausreichendes Einkommen durch eigene Arbeit nachweisen. „Wie denn?“, fragt Lill.

Dramatische Familiengeschichten häufen sich auch bei Anwalt Timmer. Bei ihm haben MandantInnen im Hinblick auf die seit dem rot-grünen Regierungswechsel in Bonn erwartete Altfallregelung schon länger Bescheinigungen von Arbeitgebern hinterlegt, wonach sie eingestellt würden – „vorausgesetzt, es würde eine Arbeitserlaubnis erteilt“. Genau die aber wurde vielen seiner KlientInnen nicht – oder wenn, dann nur sporadisch erteilt (s.a. unten). Denn AsylbewerberInnen bekommen nur eine Arbeitserlaubnis, wenn eine Stelle nicht mit deutschen oder EU-BürgerInnen oder Nicht-Deutschen mit festem Aufenthalt besetzt werden kann. So blieben für AsylbewerberInnen meist nur saisonal befristete, schlecht entlohnte Tätigkeiten übrig – als Putzfrauen, Gaststätten- oder GärtnergehilfInnen. „Nach Einzelfallprüfung – und meistens nur wenige Stunden pro Woche“, bestätigt Arbeitsamtssprecher Jörg Nowag. Auf solche Jobs ließen sich Arbeitssuchende nur schwer vermitteln, weil sie nicht die Arbeitslosigkeit beenden. „Dass Asylsuchende eine Arbeitserlaubnis für eine Vollzeittätigkeit erhalten, ist die große Ausnahme“, so Nowag. Genau diese soll jedoch Grundlage fürs Bleiben sein. Die Folge: Gerade im von Arbeitslosigleit stärker betroffenen Norden und Osten Deutschlands erlebten nur wenige Flüchtlinge den November-Stichtag als Erwerbstätige.

„Die jetzige Altfallregelung ist restriktiver als die viel kritisierte von 1996“, folgert Anwalt Timmer. Denn damals erhielten AusländerInnen, die lange genug in Deutschland lebten, eine kleine Chance. Je nach Bundesland hatten sie mehrere Monate Zeit, sich Arbeit zu suchen. Wer danach seinen Lebensunterhalt sichern konnte, durfte – sofern weitere Bedingungen erfüllt waren – bleiben. Im Bremer Innenressort heißt es dazu: „Der neue, klare Beschluss soll Mitnahmeeffekte vermeiden.“

Die Praxis macht deutlich, wie das aussehen kann. Danja Schönhöfer von der Flüchtlingsini war Zeugin, als ein Sachbearbeiter der Ausländerbehörde den Antrag einer Mutter von sieben Kindern, die als „Altfall“ anerkannt werden wollte, nicht einmal annehmen wollte. Dabei sei die Kurdin vor dem für Familien vorgegebenen Einreisedatum 1. Juli 1993 nach Deutschland gekommen. Zwar habe sie bisher von Sozialhilfe gelebt – „wegen der Kinder. Zwei davon unter drei Jahren“. Aber dafür sieht der Ministerbeschluss eine „Härtefallklausel“ für Alleinerziehende vor. „Anstatt die Leute über ihre Rechte zu informieren, werden sie noch verschreckt“, kritisiert Schönhöfer. ede