Ein frohes neues Jahr! ■ Von Ralf Sotscheck

Werden wir uns im neuen Jahrtausend wiedersehen? Vermutlich nicht, die meisten von uns werden Silvester auf die eine oder andere Art dahingerafft werden, wenn die Experten Recht behalten. Wer nach Mitternacht im Flugzeug sitzt, hat den angenehmsten Tod. Weniger schön ist es im Zug, wenn dank Y2K, dem Jahrtausendvirus, alle Signale auf grün stehen. Aber auch Autos können verrückt spielen, obwohl der englische Automobilclub meint, sie wären vollkommen sicher: Die meisten werden gar nicht erst starten.

Glauben Sie bloß nicht, Sie seien in Ihren eigenen vier Wänden gegen Unbill gefeit. Der Virus wird wahrscheinlich Ihren Toaster in einen Flammenwerfer verwandeln, Ihre elektrische Zahnbürste mutiert zum Presslufthammer, und selbst Ihr guter alter Wecker könnte sich als Zeitbombe entpuppen. Vom PC will ich gar nicht erst sprechen, ich möchte Sie ja nicht beunruhigen.

Aber es sind nicht nur die Viren in den Computerchips, sondern in den Köpfen, die geradewegs in die Katastrophe führen. Durchgeknallte Terroristen könnten den Londoner Millennium Dome während der Jahrtausendfeier in die Luft sprengen und Premierminister Tony Blair, die Queen sowie 10.000 Ehrengäste ins Jenseits befördern. Oder irgendeine Sekte veranstaltet einen Massenselbstmord auf dem Nullmeridian in Greenwich.

Gut möglich sind auch Lebensmittelvergiftungen, da die Köche bei dem Andrang zu Silvester wenig Sorgfalt auf die Zubereitung der Speisen verwenden. Der Sturm auf Restaurants wird groß sein, denn in den Supermärkten ist wegen der Panikkäufe nichts zu holen. Und die Hälfte der Bevölkerung wird ohne Wasser dastehen, da die andere, pessimistische Hälfte Badewannen und Blechtonnen füllt, bis die Hähne versiegen.

Benzin wird es auch nicht geben, weil die Manta-Fahrer riesige Vorräte anlegen, damit ihr bestes Stück, sofern nicht durch Y2K lahmgelegt, auch im nächsten Jahrtausend mobil ist. Alle anderen sind auf Taxis angewiesen, die in der Silvesternacht mit Goldbarren bezahlt werden müssen. Wenn Sie unterwegs sind, werden Sie höchstwahrscheinlich von Taschendiebbanden ausgeraubt, während Einbrecher Ihre Wohnung ausräumen, weil sie dort größere Mengen Bargeld vermuten, die Sie aus Furcht vor versagenden Geldautomaten gehortet haben.

Ein Horrorszenario? Es wurde vom britischen Innenministerium entworfen und ist auf einem Merkblatt nachzulesen, das an sämtliche Bezirksverwaltungen verteilt wurde. Das Ministerium empfiehlt, Maßnahmen zu ergreifen, damit öffentliche Hallenbäder im Handumdrehen in temporäre Leichenhallen mit Mindestkapazitäten von 200 Toten umgewidmet werden können.

Mehr als die Hälfte aller Briten bleibt Silvester vorsichtshalber zu Hause. Warum auch nicht, die BBC bietet ein aufregendes Programm: Um 10 Uhr geht es mit „Noch 14 Stunden“ los, eine Stunde später folgt „Noch 13 Stunden“. Mittags dann, Sie ahnen es, „Noch 12 Stunden“. Merkwürdig nur, dass „Noch 4 Stunden“ um 20.35 Uhr läuft. Um Mitternacht, gleich nach Big Bens Glockenläuten, berichtet Peter Snow über die ersten Opfer von Y2K.

Ich wünsche Ihnen ein gutes neues Jahr.