Privat fährt billiger

■ Jürgen Schilling, der Direktor der Villa Massimo in Rom, klagt gegen seine Suspendierung wegen angeblicher Misswirtschaft

Andiamo a Villa Massimo stasera? Sehn wir uns heut abend in der Villa Massimo? Oft genug bekam ich in den letzten Monaten die Frage zu hören, von Freunden aus Rom, durch die Bank Italiener, die kein Wort Deutsch sprechen – und die es dennoch in die Accademia tedesca, die Deutsche Akademie, zog, zu einem Ballettabend, einer Ausstellung, einem Konzert.

Kein Ghetto mehr für deutsche Kunststipendiaten, die verschanzt hinter den Mauern der Villa ein Jahr still vor sich hin schaffen, die zwei-, dreimal in Sammelausstellungen ihre Werke einem an ein paar Händen abzuzählenden Publikum präsentieren, die schließlich Rom verlassen, ohne je mit der Stadt, mit ihren Menschen in Kontakt getreten zu sein – das war die Devise von Jürgen Schilling, dem 1992 angetretenen Direktor der Akademie. Eine Devise, die der Kunsthistoriker und Fachmann für Klassische Moderne und Gegenwartskunst, Schilling, tatkräftig realisierte.

Sommer für Sommer strebten unter seiner Ägide tausende Römer in den prächtigen Garten der Villa Massimo, um sich die Aufführungen des „Invito alla danza“, der „Einladung zum Tanz“ anzuschauen, „verirrten“ sich vor und nach den Ballett- oder Flamencodarbietungen in die Werkschauen der Stipendiaten. Und immer wieder gab es Ausstellungen, in denen das Schaffen der deutschen Künstler mit dem italienischer Kollegen konfrontiert wurde, gab es nun auch die Werke großer italienischer Gegenwartskünstler von Enzo Cucchi zu Mario Schifano in den Räumen der Villa Massimo zu sehen.

Doch damit ist jetzt Schluss. Andiamo a Villa Massimo? – bis auf weiteres erübrigt sich die Frage. Nicht nur hatten die Kulturverwalter von Minister Naumann die brillante Idee, die Akademie ausgerechnet im Heiligen Jahr 2000, wo alle Welt nach Rom schaut, zur Rundumsanierung zu schließen; sie verstanden den Sanierungsauftrag deutlich radikaler. Mag sein, dass Jürgen Schilling eine hervorragende Bilanz kulturellen Wirkens in Rom vorzuweisen hat – doch bei „Bilanz“ denken Bonner Ministeriale nicht eben an Kultur. Stattdessen reden sie von Reisekostenrecht, von Buchungstiteln und Verwaltungsvorschriften. Unsauber gewirtschaftet habe Schilling – und das soll ihm nun den Kopf kosten.

Anfang Dezember wurde Schilling auf Weisung des offenbar erneut schlecht beratenen Kulturminister Naumann vom Dienst supendiert. Den Grund präsentierte der Bundesrechnungshof mit einem (aus Bonn angeforderten) Gutachten, einer langen Liste vorgeblicher Verfehlungen. Gut 150 Mark habe sich Schilling den Spaß kosten lassen, sein Auto am Flughafen Rom zu parken. Ein Taxi hätt's doch auch getan. Die Rechnungsprüfer sparten sich den Hinweis auf die Taxipreise: Rom – Fiumicino und zurück 160 Mark. Schilling habe zudem der Außendarstellung der Bundesrepublik geschadet, da er des Deutschen unkundige Pförtner angeheuert habe. Wie für nicht mal 2.000 Mark Gehalt perfekt zweisprachiges Hilfspersonal aufzutreiben sein soll, wird im Gutachten nicht erklärt.

Dann habe Schilling sich – noch von Minister Kanther genehmigt – eine teure Privatwohnung in der Stadt geleistet; kein Wort im Gutachten davon, dass die Dienstwohnung der Villa auf Grund der miserablen Heizung im Winter unbewohnbar ist. Und kein Wort schließlich davon, was Schilling mit womöglich manchmal unorthodoxen Methoden in Bewegung gesetzt hat.

Konsterniert reagierte die Kulturszene in Rom auf die Entwicklung in der Villa Massimo. „Jürgen Schilling ist ein Mann, der in seinem ganzen Wirken immer nur die Kunst im Auge hatte, mit Herz und Seele. Er hat hier in Rom geradezu als Vorbild gewirkt“, kommentiert Rossella Siligato von der Oberintendanz für Kulturgüter der Stadt Rom. „Er hat die Villa Massimo zu einem Ort des Austauschs, der Begegnung gemacht. Er hat dafür gesorgt, dass es zu einer gegenseitigen Durchdringung zwischen dem Kunstschaffen an der Deutschen Akademie und dem Wirken italienischer Künstler kam. Und das ist doch der eigentliche Auftrag einer solchen Akademie. An der Villa Massimo gab es unter Schilling immer wieder deutsch-italienische Ausstellungen, und ich selbst gehe gern dorthin, um mir für meine Arbeit Inspirationen zu holen. Zum Beispiel habe ich in der Villa die Videoinstallationen des Künstlerduos M & M, Marc Weiss und Martin De Mattia, gesehen; daraufhin haben wir eine weitere Schau der beiden organisiert.“

So erfolgreich war die Villa Massimo in den letzten Jahren, dass sie schnell Nachahmer fand: Auch die Französische Akademie Villa Medici sucht nun den Kontakt zur Kulturwelt Roms. Schilling selbst nützt das alles wenig; wenn es nach der Bonner „Kultur“-Verwaltung Naumanns geht, soll er in die Wüste geschickt werden. Heute freilich ist erst einmal der Termin beim Arbeitsgericht Berlin, vor dem Schilling gegen seine Suspendierung klagt. Die ist eigentlich nur rechtens zur Abwendung einer drohenden Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland. Aber die geht von dem rekonvaleszenten Jürgen Schilling, der sich von einer schweren Transplantationsoperation erholt, wohl kaum aus. Marina Collaci