Die IG Metall will kräftig zulangen

Die größte Einzelgewerkschaft Deutschlands will 5,5 Prozent mehr Lohn und eine Rente mit 60 durchsetzen. Die Arbeitgeber wollen nicht mitmachen ■ Von Annette Rogalla

Frankfurt/M. (rtr/taz) – Ist das Bündnis für Arbeit gar nichts wert? Die Arbeitgeberorganisation Gesamtmetall ist bei der Beantwortung der Frage skeptisch. „Die Tinte von Herrn Zwickels Unterschrift ist noch nicht trocken, da macht die IG Metall Anstalten, den Bündnispfad mit Hindernissen zu bepflastern“, empörte sich gestern Gesamtmetall-Chef Werner Stumpfe.

Mit einem „Forderungsvolumen von 5,5 Prozent“ will die IG Metall in die diesjährige Lohnrunde ziehen. Gestern gab der Vorstand der größten deutschen Einzelgewerkschaft diese Größe als Empfehlung an die regionalen Tarifkommissionen. Gewerkschaftschef Klaus Zwickel begründete die Zahl mit der guten Auftrags- und Gewinnlage in der Elektro- und Metallindustrie. Die Forderung soll als Gesamtpaket dienen, aus dem sowohl eine Lohnerhöhung bestritten wird als auch die Rente mit 60 finanziert werden kann. Zwickel selbst sieht die Forderung nicht als überzogen an. Sie liege eher am der Untergrenze dessen, was die Gewerkschaftsmitglieder in den Betrieben diskutieren, sagte er. In der Metallindustrie wird ein Tarifvertrag für 3,4 Milionen Beschäftigte abgeschlossen.

In den kommenden Wochen werden die regionalen Tarifkommissionen über die Forderung beraten und dem Vorstand ihre Rückmeldung geben. Am 27. Januar wird der IG-Metall-Vorstand endgültig entscheiden. Im Februar soll es mit den harten Runden im Tarifpoker losgehen. Bei der Forderung von 5,5 Prozent geht Zwickel davon aus, dass die Preissteigerungsrate 1,5 Prozent beträgt und die gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerung bis zu 3,5 Prozent. Über höhere Löhne solle auch die Binnennachfrage gesteigert werden, so Zwickel.

Als sei er sich der kommenden Kritik bewusst, sagte Zwickel, bei den 5,5 Prozent handle es sich nicht um ein Ergebnis, sondern um eine Forderung. Insofern gebe es keinen Widerspruch zu der am Sonntag im Bündnis getroffenen Vereinbarung mit Arbeitgebern und Regierung zur Tarifpolitik.

Ziel der diesjährigen Tarifrunde sei es, ein beschäftigungswirksames Ausscheiden aus dem Berufsleben zu erreichen, sagte Zwickel. „Nur im Rahmen eines Gesamtpakets, das die Beschäftigungsbrükke zwischen Jung und Alt einschließt, besteht die Chance zum Abschluss eines längerfristigen Lohn - und Gehaltstarifvertrages.“ Zwickel forderte die Arbeitgeber auf, ihre „Blockadehaltung“ aufzugeben und über die Rente mit 60 zu verhandeln. Gesamtmetall-Chef Stumpfe konterte die Kritik: Die Rente mit 60, so wie die IG Metall sie propagiere, „kommt für uns nicht in Frage“.

Seine ablehnende Haltung begründete Stumpfe damit, dass es keinen individuellen Rechtsanspruch darauf geben könne. Ferner fürchtet er, dass bei „gescheiterter Wiederbesetzung“ der frei gewordenen Stelle der Arbeitgeber mit den Kosten belastet werde, die der Ausgeschiedene durch den Ausgleich der Rentenabschläge verursacht.

Die Arbeitgeber sagten gestern nicht, was sie bereit sind zu geben. Stumpfe meinte aber, wenn „vernünftige Lohnprozente“ und die Reform des Weihnachtsgeldes herauskommen würden, „dann sind wir bereit, über unseren Schatten zu springen“.

Kommentar S. 12