Kommentar
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Euphemistisch ■ Bausenator Strieder macht alles anders, oder?

Die Stadt als Wohnort. Die Stadt als Raum für Lebendigkeit und sozialen Wandel. Die Stadt als pulsierendes Zentrum für Politik, Wirtschaft und Kultur. Zweifellos klingen Bausenator Peter Strieders Programme für die städtische Entwicklung Berlins in den kommenden Jahren wie Musik in den Ohren der Urbanisten. Was kann man dagegen haben, dass 50.000 neue Wohnungen errichtet werden? Wer ruft noch nach Eigenheimen an der Peripherie, wenn die Innenstadt als Bauland Priorität erhält, verdichtet wird und der Bestand gesichert werden soll? Und bedeutet nicht die Wiedergewinnung des historischen Zentrums ein Mehr an hauptstädtischer, weltoffener Relevanz?

Die Botschaft hört man wohl, allein es fehlt das wirklich Neue an dem Konzept „soziale Stadtentwicklung“, wie der Bausenator sein Vorhaben euphemistisch nennt. Denn guckt man genauer hin, sind Strieders Pläne die des umstrittenen Planwerks Innenstadt. Der Fokus des Masterplans, das Zentrum als Ort neureicher Urbaniten zu begreifen, wird nicht revidiert. Die Grundlage seiner Idee von der „Wiedergewinnung der Innenstadt als Wohn- und Arbeitsort“ bleibt eine Bodenpolitik, die sich der sozialen Verantwortung entzieht. Statt auf sozialen Wohnungbau, der angeblich tiefe Löcher in die öffentlichen Kassen reißt, konzentriert sich Strieder auf „vermarktungsfähige Projekte“. Das städtische Haus bleibt private Investition, die Mieter sollen zahlungskräftige Klientel sein und die Wohnungen am Potsdamer Platz Vorbild für den Rest der Stadt.

Verharrt die Baupolitik Strieders auf der Folie des Planwerks Innenstadt, ist sie nicht mehr als ein seelenloser Grundriss aus neuen Architekturen, rückgebauten Straßen und rekonstruierten Fassaden. Erst die Besinnung auf die soziale Dimension der Stadt als Wohn- und Arbeitsort aller gesellschaftlichen Schichten würde dem Konzept Leben einhauchen.

Bleibt dies sein Mangel, kann man sich die Konsequenzen bereits ausmalen: Der öffentliche Raum wird privatisiert oder verkommt, die soziale Segregation in den Quartieren nimmt weiter zu, und auch die Abwanderung wohlhabender Häuslebauer ins Umland lässt sich nicht stoppen.

Rolf Lautenschläger