Nach Sofri-Urteil nun Amnestiedebatte in Italien

Linke zu allem bereit, um die erneut verurteilten Führer der Lotta Continua zu retten

Rom (taz) – Das am Montag in einem Wiederaufnahmeverfahren ausgesprochene Urteil gegen die ehemaligen Führer der linksradikalen Studenten- und Arbeiterorganisation Lotta continua, Adriano Sofri, Giorgio Pietrostefani und Ovidio Bompressi, sorgt in Italien weiterhin für Aufregung. Nach dem Urteil ist nur Sofri wieder ins Gefängnis eingerückt. Nach den beiden anderen Ex-LC-Genossen, die ebenfalls jeweils 22 Jahre abzusitzen haben, fahnden die Carabinieri vergebens. Möglichweise wollen die beiden nur das für die nächsten Tage erwartete Gutachten über ihren Gesundheitszustand abwarten: Das könnte ihnen Haftverschonung zumindest bis zum Entscheid des Bundesgerichts über den Einspruch ihrer Anwälte gegen das Urteil ermöglichen.

Außerhalb des Gerichts formieren sich inzwischen erneut starke politische Kräfte um die Verurteilten – quer durch die politischen Reihen: Schließlich ist Sofri, ehemals ganz Linker, seit Jahren ein in den Medien des rechten Silvio Berlusconi beschäftiger Journalist, und andererseits sind inzwischen viele seiner ehemaligen LC-Genossen über verschiedene politische Strömungen in hohe Ämter eingerückt und haben sich seit seiner erste Festnahme 1988 immer mit ihm solidarisiert. Am weitesten geht der ehemalige kommunistische Abgeordnete und 1993 zum Oberbürgermeister Venedigs gewählte Philosoph Massimo Cacciari, der eine Amnestie für Straftaten aus der großen Zeit des Terrorismus fordert und dabei auch die Vergehen wegen Korruption und Amtsmissbrauchs der politischen Klasse in den 80er- und 90er-Jahren tilgen möchte – „unter der Voraussetzung einer gesetzlichen Sicherstellung, dass sich derlei künftig nicht mehr ereignen kann“. Was immer das bedeuten mag.

Sofri selbst spricht weiterhin von einer „schreienden Ungerechtigkeit“, der er sich aber nicht beugen werde, „solange ich lebe“. Seine Verteidiger haben Widerspruch beim obersten Gericht der Kassation angekündigt: Das wäre dann das neunte Verfahren in dieser Sache. Sieben verschiedene Gerichte haben die LC-Führer aufgrund der Aussagen eines ihrer ehemaligen Ex-Genossen mittlerweile verurteilt. Nur einmal erging ein anderes Urteil, doch dann setzte sich erneut die Staatsanwaltschaft durch. Und so ist es bis heute geblieben. Werner Raith