Rote Green Card begeistert den Wirtschaftsminister

Des Kanzlers Plan, ausländische EDV-Spezialisten ins Land zu holen, ist ganz nach dem Geschmack der Wirtschaft. Die Gewerkschaften befürchten hingegen Lohndumping

Berlin (taz) – Theo Parpan will mal ein offenes Wort über deutsche Computerspezialisten sagen: „Nicht motiviert, sehr teuer, schlecht qualifiziert“.

Weil der Gesellschafter einer Internet-Werbeagentur in Kronberg bei Frankfurt niemanden findet, der ihm zusagt, lässt der 41-Jährige in Indien arbeiten. Mehr als die Hälfte seines Umsatzes erwirtschaftet der Kleinunternehmer mit Aufträgen, die in Indien gefertigt werden. Doch der Arbeitsexport hat seine Grenzen. „Konzeptarbeit, Designerarbeit, Grafik – all das muss man in Deutschland machen.“ Also sollen die Inder in den Taunus kommen, ganz so, wie der Bundeskanzler es vorgeschlagen hat.

Die Idee, Computerspezialisten aus dem Nicht-EU-Ausland zu erleichterten Bedingungen nach Deutschland zu holen, hatte Gerhard Schröder zur Eröffnung der Cebit leichthin propagiert. 30.000 Menschen aus Indien, Russland und China sollen ohne großen bürokratischen Aufwand kommen, um der hiesigen Computerbranche auf die Sprünge zu helfen.

Mit seinem Versprechen polarisiert der Kanzler. Bundeswirtschaftsminister Müller (parteilos) stellt sich rückhaltlos hinter die Unternehmer. Er findet die „Red Green Card“, wie Schröder die spezielle Arbeitserlaubnis nennt, gut. „Wir müssen schnell den rechtlichen Rahmen dafür schaffen, dass die Wirtschaft am Weltmarkt rekrutieren kann“, sagt Müller. Arbeitsminister Walter Riester (SPD) stimmt zwar wortkarg zu, lässt aber über die Bundesanstalt für Arbeit (BA) bezweifeln, ob die IT-Branche exakt gerechnet hat, als ihr Bundesverband mitteilte, momentan fehlten 75.000 Fachkräfte. „Die Zahl ist wesentlich niedriger“, sagt ein Behördensprecher.

Die Gewerkschaften stemmen sich mit Macht gegen den Neuzugang von Arbeitskräften. Das Schlagwort vom „Lohndumping“ macht die Runde. Dieser Vorwurf ist schwer zu entkräften. Selbst Werner Senger, Geschäftsführer des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), fällt es nicht leicht. Nicht jeder indischer Softwarespezialist könne mit einem deutschen Spitzengehalt rechnen – Anfänger kommen schon mal auf 150.000 Mark –, aber „50.000 Mark sind schon drin“.

Doch Geld, so Senger, spiele bei der Anwerbung nur eine untergeordnete Rolle. Der Branche komme es nicht darauf an, „an den Lohnsummen zu sparen“, sondern die Branche wolle expandieren. Dafür müssten die Firmen technisch auf dem neuesten Stand sein. Senger und Kollegen glauben, in Russland ließe sich Sachverstand sondergleichen anwerben. Spitzenmäßig ausgebildete Mathematiker und Nachrichtentechniker, „die mit den Großcomputern der Militärmacht und Raumfahrt vertraut sind, wollen wir haben“, sagt Senger. „Inder sind von ihrer Mentalität her in logischem Denken und in der Mathemathik gut ausgebildet“, glaubt Senger.

Werner Müller versteht den Unternehmer. Bei der Anwerbungsaktion handle es sich um Fachkräfte, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt einfach nicht vorhanden seien. Solche Spitzenkräfte gäbe es auf der ganzen Welt nur selten.

Annette Rogalla