„Wer zurückkehren kann, tut es“

Fotoausstellung im Rathaus zeigt bis zum 19. März Bilder aus Bosnien nach dem Krieg: ein Projekt der Hamburger Flüchtlingshilfe  ■ Von Elke Spanner

In enganliegenden Shirts schlendern die beiden Mädchen durch die Fußgängerzone, die Augen hinter dunklen Brillen verdeckt, obwohl die Sonne an diesem Tag nicht scheint. Eine junge Mutter, die mit ihrem Baby auf dem Boden sitzt, blickt den beiden wie einer Erscheinung hinterher. Die Texttafel daneben rückt den irreführenden Anblick wieder zurecht: Zwar sind alle vier Bilder in der Shoppingmeile Banja Lukas aufgenommen – doch „viel kaufen kann hier niemand :_ 90 Prozent sind arbeitslos.

Banja Luka ist Regierungssitz der Republik Srpska. Wie auch in anderen Regionen Bosniens hat die Hamburger „Flüchtlingshilfe“, ein Zusammenschluss von Arbeiterwohlfahrt und Caritas, in Srpska den Wiederaufbau nach dem Krieg unterstützt: In Prijedor kann eine kriegszerstörte Grundschule inzwischen wieder SchülerInnen unterrichten. Der Hamburger Fotograf Michael Kottmeier begleitete die Projektfahrten von April bis Dezember vorigen Jahres. Seine Bilder sind bis zum 19. März im Foyer des Rathauses ausgestellt.

Sarajewo befand sich von 1992 bis 1995 permanent unter Granatenbeschuss. Das historische Stadtzentrum wurde stark beschädigt. Kottmeier zeigt drei Männer, die vor dem Schaufenster eines Reisebüros stehen, das ihnen Reisen „mit modernen Flugzeugen in die ganze Welt verspricht“. Auf dem „Bas Carsija“, dem zentralen Platz, versuchen ältere Frauen und Männer, etwas Geld mit dem Verkauf von Cola-Bechern zu verdienen.

Etwa zwei Millionen BosnierInnen mussten im Krieg aus ihren Heimatorten fliehen. Die Industrie wurde weitgehend zerstört oder durch die unterbrochene Infrastruktur lahmgelegt. Hamburg hat zwischen 1991 und 1995 insgesamt 12.500 Flüchtlinge aufgenommen. Anfangs dachte die Sozialbehörde, sie könnten nach einem halben Jahr in ihr Land zurückkehren. Aus wenigen Monaten wurden mehrere Jahre. Einige Familien leben mittlerweile acht Jahre hier.

Mit der Zeit änderte sich auch die Arbeit der Flüchtlingshilfe. War die zunächst damit befasst, die BosnierInnen zu versorgen, den Kindern Kita-und Schulplätze zu organisieren, konzentrierte sich die Flüchtlingshilfe seit dem Friedensabkommen von Dayton 1995 darauf, den RückkehrerInnen eine Perspektive vor Ort zu verschaffen. Insbesondere unterstützte sie in ihrer Arbeit den Wiederaufbau von Schulen, finanziell mitgetragen von der Sozialbehörde. Ein politisches Signal war die finanzielle und logistische Hilfe in Prijedor: Als erstes Bundesland förderte Hamburg ein Projekt in einer serbischen Region.

Projektkoordinator Valentin Günther fährt selbst regelmäßig in die ehemaligen Kriegsgebiete. Viele Familien, die aus Hamburg ausgereist sind, hat er dort wiedergetroffen. Die meisten, so seine Beobachtung, wollen in ihre Heimatdörfer zurück, auch wenn diese vollkommen zerstört wurden. „Wer zurückkehren kann, tut es auch“. In Kamicani bei Prijedor beispielsweise sitzen immer noch Rückkehrer ungeduldig auf gepackten Koffern.

Die noch in Hamburg verbliebenen rund 1500 BosnierInnen „können nun zurück“, sagt Sozialsenatorin Karin Roth (SPD). Günther weiß, dass 700-800 in die USA weiterreisen wollen, wenn sie Deutschland verlassen müssen. Die übrigen seien krank oder von der Vergangenheit traumatisiert, „die wollen natürlich nicht zurück“.