Wildes Zerren um den Nationalpark Wattenmeer

■ Überarbeitung des Nationalparkgesetzes soll im Juni abgeschlossen sein / Umweltverbände fordern mehr Kompetenzen für die Nationalparkverwaltung / Die Inseln drohen jetzt mit Klagen, sie wollen mehr Tourismus und neue Baugebiete

Im Stile der Geheimdiplomatie des 19. Jahrhunderts verhandelt das niedersächsische Umweltministerium die Novellierung des Nationalparkgesetzes über den Nationalpark Wattenmeer. Unbeobachtet von der Öffentlichkeit jettet Unterhändler Heinz Davidson durch die Lande, um eine drohende Klage der ostfriesischen Inseln gegen das neue Nationalparkgesetz abzuwenden.

„Ich bin erschöpft“, ist der einzige Kommentar den der Vertreter der Stadt Borkum, Reinhard Kaib, in der Lage war, am Dienstag der taz abzugeben. Zwei Tage lang hatte Davidson die Interessenlage der Inselgemeinden auszuloten versucht. Die ist zwar in keinem offiziellen Papier festgehalten, aber die Kritik der Inseln lässt sich leicht zusammenfassen: Der Nationalpark ist zu groß, die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven hat zuviele Kompetenzen, die Aufteilung des Nationalparkes in Ruhe-, Zwischen- und Erholungszone schränkt die wirtschaftlichen Möglichkeiten (Tourismus) und die Stadtentwicklung (neue Baugebiete) ein.

Hauptgegner aus der Sicht der Inselgemeinden sind die Naturschutzverbände BUND, WWF und LBU. Alles was die Inseln wollen, wollen die Umweltverbände nicht. Nämlich die Kompetenzen der Nationalparkverwaltung ausdehnen und ihr zum Beispiel auch die Grundstücksverwaltung im Nationalpark übertragen.

Ungewöhnlich für die Naturschützer: „Auch wir sagen nichts zum Stand der Gespräche“, so Bea Claus vom Bremer WWF für Meere&Küste, und Andreas Bieg vom Niedersächsischen Landesverband der Bürgerinitiativen (LBU). Auch sie haben letzte Woche mit Davidson aus dem Umweltministerium „gegenschert“. Viel zu kommentieren brauchen die Umweltverbände allerdings nicht – ihre Wünsche liegen seit langem auf dem Tisch. Ein heißes Thema derzeit ist zum Beispiel die Ausweitung der Schutzgebiete.

Die „sanfte“ Version: Zur Zeit befinden sich auf einigen Inseln in der Erholungszone Deponien und Campingplätze. „Dies wiederspricht eigentlich dem Nationalparkgedanken“, argumentiert beispielsweise der LBU. Die Forderung: Langfristig sollen diese Plätze zurückgebaut werden. Dagegen fletschen die Inseln bereits die Zähne.

Die „harte“ Version: Die Umweltverbände fordern zum Wohle eines sinnvollen Artenschutzes für Wildfauna und Flora eine Ausweitung der Ruhezonen im Wattenmeer und ein Verbot der wirtschaftlichen Nutzung in dieser Zone. In den Pufferbereichen neben diesen Ruhezone wünschen sie sich eine Einschränkung des Tourismusbetriebes. Diese Forderungen provozieren ein vereintes Wutgeheul der Krabben- und Muschelfischer, der Inseln- und Küstengemeinden und der landwirtschaftlichen Betriebe. Sie alle nutzten schon jetzt ausgiebig Flächen oder Gewässer im Nationalpark, Ausnahmeregelungen, sogar die Ruhezonen zu betreten, steigen.

So stehen sich Naturschutz und Nordseeanrainer unerbittlich gegenüber. Selbst der zarte Brückenbau einiger Naturschutz-Verbände hat bislang ihren Kontrahenten kein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Die Verbände möchten den Nationalpark zu einem Markenzeichen für die deutsche Nordseeküste aufbauen. Im Zuge eines naturnahen Tourismus und der Vermarktung regionaler, ökologisch produzierter Produkte, wären sie für eine gezielte, gesetzlich festgelegte und beschränkte Nutzung des Nationalparkes Wattenmeer.

Die Verbände hatten sich immer für eine Erweiterung des Nationalparkes stark gemacht, mussten aber im Sommer des letzten Jahres der sogenannten „eins zu eins“- Umwandlung der alten Nationalparkverordnung in das neue Nationalparkgesetz zustimmen. Schon damals gab es wegen dieser Entscheidung Krach. Die Drohung der Inseln, das neue Gesetz mit einer Klage auszuhebeln, machte die Novellierung notwendig. Das Ministerium scheut diese Klage wie der Teufel das Weihwasser. In böser Erinnerung ist noch die Klage von Anwohnern des geplanten Nationalparks Elbtal-Aue. Diese Klage kippte vor über einem Jahr die Nationalpark- Pläne des Ministeriums.

„Selbstverständlich kann niemand das neue Gesetz für das Wattenmeer auf den Kopf stellen“, sagt Uta Kreutzenbeck, Sprecherin des niedersächsischen Umweltministeriums. Als mögliche Veränderungen deutet sie eine andere Einteilung des Nationalparkes, Verwaltungsvereinfachungen beim Bau von Golfplätzen und Flughafenerweiterungen in der Erholungszone und gar eine Verkleinerung des Parkes („Wir wollen uns da nicht auf den Quadratmeter festlegen“) an. Alles brandheiße Eisen, aber: „Es ist noch nichts entschieden. Die Gespräche mit allen Beteiligten dauern noch an. Im Juni legen wir dem Landtag unseren Bericht vor“, so die Sprecherin des Umweltministeriums. Bis dahin wird weiter „gegenschert“. „Wir wollen ja einen Kompromiss finden“, stöhnt der als Hardliner gegen den Nationalpark gefürchtete Reinhard Kaib aus Borkum, um dann zu drohen: „Selbstverständlich halten wir uns die Möglichkeit zu klagen offen.“

Thomas Schumacher