Der Blutdruck war zu hoch

Nach seiner Fusion mit der spanischen Telefónica will Endemol nun auf neuen Märkten Fuß fassen

AMSTERDAM taz ■ Der niederländische TV-Produktionskonzern Endemol wird für 5,5 Milliarden Euro von dem spanischen Telekomkonzern Telefónica übernommen. Endemol, u.a. für die Doku-Soap „Big Brother“ verantwortlich, wird eine neue Abteilung in dem Telekom-Konzern werden, der außer Telefondiensten auch TV-Sender und Internetanbieter vor allem in spanisch- und portugiesischsprachigen Ländern besitzt.

Für Endemol endet damit gleich in doppelter Hinsicht eine Ära. Zum einen verliert das erfolgreiche europäische Unternehmen, das 1994 aus den beiden Firmen von John de Mol und Joop van den Ende entstand und rund 2.000 Mitarbeiter hat, seine Unabhängigkeit. Zum anderen werden auch beide Gründer ihre Leitungsfunktionen abgeben. Joop van den Ende kündigte an, sich aus Gesundheitsgründen zurückzuziehen. Der 58-Jährige leidet seit sechs Monaten stressbedingt an hohem Blutdruck. Auch John de Mol will nur noch bis zum Jahresende das Unternehmen leiten. Er will sich künftig wieder vorwiegend „kreativ“ an der Entwicklung von TV-Programmen beteiligen. Fünf Jahre läuft sein neuer Vertrag mit Telefónica als „Chef-Kreativ-Direktor“, eine eigens für ihn geschaffene Funktion.

In doppelter Hinsicht das Ende einer Ära für Endemol

Gerüchte über einen Verkauf des Hilversumer Unternehmens, das in 15 Ländern aktiv ist, hatte es schon lange gegeben. Vor allem nach dem Erfolg der Real-Life-Show „Big Brother“ gab es viele Angebote aus der nationalen und internationalen Medienindustrie. Für John de Mol war es klar, dass sein Unternehmen in der Zeit der großen Fusionen auf dem Medienmarkt einen starken Partner brauchte. „In einer Zeit, in der World Online an die Börse geht, UPC SBS übernimmt und AOL und Time Warner fusionieren, muss man in die Zukunft schauen.“ Ein traditioneller Rundfunksender kam aber für den Bruder von TV-Star Linda nie in Frage, für ihn stand fest: dem Internet und mobilen Telefonen gehört die Zukunft.

Ausschlaggebend für die Wahl des spanischen Telekomgiganten war die „große Skala der Distributionsmöglichkeiten für die Endemol-Programme“. Auch der gute Preis wird eine Rolle gespielt haben. Denn John de Mol und Joop van den Ende, die je 29 und 26 Prozent der Anteile besitzen, werden mit einem Schlag Milliardäre. Und da Telefónica mit eigenen Aktien bezahlt, werden sie die größten individuellen Aktionäre von Telefónica.

Madrid und Amsterdam erobern Lateinamerika

Ob de Mol auch einen Aufsichtsratsposten in Madrid erhält, ist noch nicht entschieden. Außerdem bietet Telefónica Endemol auch den Zugang nach Lateinamerika. Der Kontinent stand „als nächster auf unserer Liste“, sagte de Mol. Telefónica ist unter anderem Eigentümer des Internetanbieters Terra, mit 1,3 Millionen Kunden in Spanien und Lateinamerika. Endemol besitzt nicht nur zahlreichen Medienunternehmen ganz oder teilweise in 15 Ländern, die Endemol-Programme sind schon jetzt in zahlreichen Ländern zu sehen. Mehr als 400 so genannte Formate entstanden im Hilversumer Hauptquartier, dazu zählt Berüchtigtes und Shows wie „Nur die Liebe zählt“, „The Soundmix Show“, „Traumhochzeit“, „Verzeih mir“ und „Big Brother“.

Juan Villalonga, Vorstandsvorsitzender von Telefónica, zeigte sich in Amsterdam sehr zufrieden mit dem Deal. Ihm fehlten für seine Telefon- , Internet- und Fernsehanschlüsse noch die Programme. „In Zukunft wird sich alles um Inhalte drehen. Endemol hat sie.“ ANNETTE BIRSCHEL