fotografie:
: wilhelm genazino auf der suche nach dem konkreten

„Die Frau auf diesem Foto war einmal meine Frau. Das Kind, das sie trägt, war einmal mein Kind. Das Kind ist seit dreißig Jahren tot, die Frau seit sechs Jahren.“ Das hat der Schriftsteller Wilhelm Genazino in diesem schönen Bildbändchen neben dieses Foto geschrieben („Auf der Kippe“, Rowohlt Verlag, Reinbek 2000, 64 Seiten, 38 Mark). Natürlich erschrickt man sofort. Darüber hinaus aber verraten schon diese wenigen Zeilen viel von der Art und Weise, wie Genazino an Fotos herangeht: Stets sucht er das Besondere, Konkrete, Einzelne in ihnen; es geht immer um diese konkrete Person, um die ganz bestimmte Szene, die man hier sieht. Das abgebildete Foto ist das einzige persönliche der dreißig Bilder, die Genazino dokumentiert und kommentiert. Die anderen – Schnappschüsse, Historia vom Jahrhundertanfang bis in die Fünfzigerjahre, Porträts – hat er auf Flohmärkten oder bei Trödlern gefunden. dk