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: Unfreiwilliger Schweizer Humor

Schweizer Abgründe“

(Mi., 20.45 Uhr, Arte)

1998 lief die Dokumentation von Bertrand Theubet und Bernard Comment im Schweizerfernsehen unter dem Titel „Wir Schweizer, ein einig Volk von Ameisen“, was dem Inhalt besser entspricht, als der von Arte gewählte Titel. Der Film zeigt nämlich eine bissige Entblößung der Ameisenarbeit, die das Schweizer Volk unternahm, um aus seinen Bergen und Autobahnentunnels Festungen und Zivilschutzanlagen zu schaffen.

Wäre ich an dem Tag nach der Aufzeichnung in meiner Heimat gewesen, hätte ich nach Lach- bzw. Tränenspuren in den Augen meiner Eidgenossen gesucht, weil der Film als musterhaftes Beispiel für Tragikomik gelten könnte. Seit der Einbürgerungsparodie „Schweizer Macher“ von 1978 hatte ich nicht mehr so gelacht.

Die Spitze solch tragikomischer Wirkung erreicht unfreiwillig Bruno Zeyer, Angestellter des Luzerner Zivilschutzes, wenn er auf die Frage, ob der Sonnenberg-Autobahntunnel (der auch als Zivilschutzanlage dienen soll) von vielen Leuten besichtigt wird, antwortet: „Jawohl! Schulklassen, aber auch Reisebüros, die uns fragen – als Schlechtwettervariante: Wenn es schön ist, gehen sie auf den Pilatus, wenn das Wetter schlecht ist, in den Sonnenberg-Tunnel.“ Und die Pointe liegt wohl darin, dass das Wort „Pilatus“ nicht nur ein idyllisches Ausflugsziel (einen Berg am Vierwaldstädtersee) bezeichnet, sondern auch jene potentiell kriegsnützlichen und deswegen skandalträchtigen Flugzeuge, die die Schweiz vor einigen Jahren dem Iran verkaufte.

Jetzt weiß ich auch, warum ich seit meiner Kindheit an Klaustrophobie leide und den schwyzerischen Ameisenhaufen verlassen musste. Ein richtiger Schweizer werde ich sowieso bald sein, nämlich ein reicher: Ich werde Walt-Disney eine Cover-Fassung der Story anbieten. Den Titel habe ich schon: Das apokalyptische Krabbeln. YVES ROSSET