Dümmer als die Presse es erlaubt

Die EU-Kommission unter Romano Prodi wollte sich ganz transparent und medienoffen geben. Tatsächlich funktioniert das nicht, und gelangweilte Europaberichterstatter bringen die Kommission mit immer neuen Gerüchten in Bedrängnis

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Am Montag steht im Spiegel: Die EU-Kommission ist unzufrieden mit ihrem kleinen Professor aus Bologna. Auch die Staatschefs nähmen den Kommissionsvorsitzenden Romano Prodi nicht mehr ernst und planten ihre Gipfel ohne ihn. Am Dienstag rührt die FAZ noch ein bisschen mehr in der Gerüchtesuppe – da steht auf Seite 1 schon dick und fett das hässliche Wort „Königsmord“. Am Mittwoch stürmt es dann richtig im Blätterwald – so funktioniert halt das Geschäft.

Spannend ist an der Geschichte etwas ganz anderes: Chefsprecher Jonathan Faull hat zwar am Dienstag die Vorwürfe gegen Prodi als lächerlich zurückgewiesen. Er hat aber gleichzeitig eingeräumt, Prodis Politik sei vielleicht falsch verkauft worden. Die Sprecher müssten ihre Arbeit in Zukunft besser machen.

Dass sie das in den von Prodi geschaffenen Strukturen nicht können, wurde spätestens gestern deutlich. Da trat der Nebenchef, Prodis persönlicher Sprecher Ricardo Levi, sichtlich zerzaust und übernächtigt, aber lächelnd wie stets vor die Journalisten und antwortet auf deren sehr detaillierte Fragen ungerührt: „Der Präsident ist gerade aus Kairo zurückgekehrt. Da er die Sonne besonders liebt, ist er auch besonders guter Stimmung.“

Taktik oder Blödheit? Eine Frage, die EU-Berichterstatter seit Herbst bewegt, als deutlich wurde, dass die Informationspolitik der neuen Kommission nicht mehr mit Anlaufschwierigkeiten entschuldigt werden kann. Versprochen war ein rund um die Uhr erreichbarer Basisdienst, Handys für alle Fachsprecher, Teamwork und Transparenz.

In der Praxis heißt das: Es gibt nun eine VIP-Corner, wo Fernsehteams lächelnde Shakehands filmen dürfen. Es gibt jeden Mittag eine Pressekonferenz, wo Levi die bereits verteilten Pressemitteilungen vorliest und 22 Fachsprecher sich an den Wänden des Kellerraumes drängen und auf einen möglichen Auftritt warten. Manchmal ruft „Ricky“, wie er sich selbst gern nennt, einen nach vorn, um eine speziellere Frage zu beantworten. Selbstverständlich haben alle vorschriftsgemäß ihre Handys ausgeschaltet.

Sie haben zu dieser Zeit bereits ein dickes Arbeitspensum hinter sich: Besprechungen mit ihrem Kommissar, mit Jonathan Faull, mit Ricardo Levi. Natürlich haben sie auch in diesen Konferenzen das Handy nicht angemacht und sind für niemanden erreichbar gewesen. So fertigen bis heute überforderte Sekretärinnen von morgens neun bis nachmittags um drei entnervte Journalisten mit immer derselben Antwort ab: „He or she is not in.“

Die Frage: Taktik oder Blödheit?, hat sich längst erledigt. Vielleicht hat Prodi, gewarnt durch den Sturz seines Vorgängers, ja wirklich die Parole ausgegeben: Besser keine Nachrichten als schlechte Nachrichten. Er hat aber nicht bedacht, dass Journalisten nicht dafür bezahlt werden, der Öffentlichkeit mitzuteilen, der Chef der EU-Kommission liebe die Sonne. Statt Rickys Vorlesestunde zu lauschen, zapfen die Kollegen Informanten auf allen Ebenen des Brüsseler Apparats an. Unter 18.000 Mitarbeitern lässt sich immer jemand finden, der seinen Chef nicht leiden kann. Schon gar, wenn der gerade ohne viel Einfühlungsvermögen eine Verwaltungsreform exekutieren lässt.

Artikel, die so zustande kommen, taugen nicht mehr als ein Stammtischgespräch bei hochprozentigem belgischen Bier. Und so wird Romano Prodi vielleicht nicht darüber stolpern, dass er seinen Job durchschnittlich gut macht, sondern darüber, dass er sich ganz besonders clever verkaufen wollte.