Otto, der Außeraustrische

Kaiserliche Habsburg-Hoheit auf Missionstrip: Die Alten kämpfen ihren letzten Kampf, den für die Rechristianisierung Europas  ■ Von Peter Ahrens

Wir schauen auf dieses jungfräuliche Jahrhundert und sehen: Gottlosigkeit. Wir sehen rohe Fleischesgier, wir sehen die gemeine Fratze des Turbo-Kapitalismus triumphieren. Verderbtheit, Stefan Raab, Egoismus: eine schlechte Welt, eine gemeine Welt. Es fehlt: Eine Idee. Otto von Habsburg weiß, welche: Es kann nur die christliche Religion sein. Also stellt er sich ans Mikrofon der Katholischen Akademie Hamburg und verkündet: „Die Rechristianisierung Europas tut not.“ Von Hamburg aus geht ein Signal in die Welt: In diesem Zeichen werdet ihr siegen.

Die Rechristianisierung Europas, das ist der letzte Kampf der Alten. Das Durchschnittsalter der Zuhörerschaft in der Akademie am Herrengraben liegt bei circa 70. Dem Redner wird der entsprechende Respekt geschuldet: „Kaiserliche Hoheit, ich stimme Ihren Ausführungen vollständig zu.“ Die Kaiserliche Hoheit ist mittlerweile 87 Jahre alt, das blaue Blut pulsiert noch heftig. Von Habsburg redet eine Stunde fast ohne Manuskript, die gute Sache hält auf Trab. Aber es pocht ja auch verjüngende Hoffnung durch der Hoheit Adern. „Nach dem Tod des Kommunismus entsteht überall in den Ländern, die unter sowjetischer Herrschaft standen, wieder christliches Leben.“

Der Habsburger muss darüber Bescheid wissen, denn er ist oft im Osten, „in Ungarn bin ich jeden Monat“, die alten Güter besichtigend, all die Ländereien, den Plattensee und das Szegediner Gulasch, all das, was früher habsburgisch war, bevor die Gottlosigkeit wie eine schwarze Wolke über das K.u.K.-Reich und seine heimelige Piroschka-Gemütlichkeit fiel, und der Kaiser, Ottos Vater, die Hofburg räumen und die Juwelen in der Glasvitrine zurücklassen musste.

Die schwarze Wolke verzieht sich, da ist der gute alte Otto ganz sicher. Auch wenn er bis heute Einreiseverbot in Österreich hat. Aber dafür ist er ja überall zu Hause gewesen. Bei Winston Churchill am Mittagstisch, bei Albert Einstein in der Gelehrtenstube – die Prominenz dieser Welt kann sich glücklich schätzen, diesen Aristokraten, diesen Zeugen des Jahrhunderts kennen gelernt zu haben.

Das macht altersweise: Einer wie Habsburg – „ich bin ein alter Freund der Türkei“ – weiß, dass die Türkei nicht Mitglied der Europäischen Union werden darf, da sonst die christliche Idee Europas verwässert wird. Weiß, dass Europa „sich versündigt, wenn es Österreich isoliert, nur weil es einmal nicht wie gewünscht gewählt hat“, weiß, welch großer Mann US-Präsident Ronald Reagan war.

„Kaiserliche Hoheit, nur eine Anmerkung: Ich stimme mit Ihnen überein, dass 1899 mit der Entwicklung der Quantentheorie Plancks der Partikelmaterialismus geschlagen wurde, was ja auch das Ende des Marxismus bedeutet hat“, sagt einer der alten Männer im Publikum und fügt an: „Davon wird im Fernsehen heute natürlich geschwiegen.“ Verachtung greift Raum, Verachtung für das Schweigekartell im Fernsehen, das bei Big Brother oder Hans Meiser die Niederlage des Partikelmaterialismus 1899 wissentlich unterschlägt.

Trost von der Hoheit: Sie sieht einen neuen christlichen Baustil entstehen, sie erkennt, dass in Osteuropa die Menschen, da gläubig, weniger depressiv sind als im Wes-ten. Die Kaiserliche Hoheit gibt die Parole aus: „Die Idee des 21. Jahrhunderts kann nur die christliche sein.“ Es besteht Hoffnung. Die Rechristianisierung Europas, sie steht auf der Tagesordnung.