Und ewig grüßt der Bosman

Der Europäische Gerichtshof scheut weitere spektakuläre Urteile und stärkt nun lieber die Autonomie der nationalen Sportverbände als die einzelner Athleten

FREIBURG taz ■ Wenn sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Sport beschäftigt, beginnen die einschlägigen Verbände zu zittern. Ihnen steckt noch das Bosman-Urteil aus dem Jahr 1995 in den Knochen.

In gleich zwei Verfahren hat der EuGH nun Gelegenheit, das Verhältnis von Sport und Ökonomie neu zu bestimmen. Den ersten Fall brachte die belgische Judoka Christelle Deliège ins Rollen. Sie war von ihrem Judoverband für ein internationales Turnier nicht aufgestellt worden, konnte sich also nicht für Olympia in Atlanta qualifizieren. Vor Gericht versuchte sie nun durchzusetzen, dass die Startmöglichkeiten bei internationalen Turnieren nicht mehr nach nationalen Quoten vergeben werden dürfen, deshalb auch keine Nominierung mehr über nationale Sportverbände erfolgen soll.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Der EuGH entschied am Dienstag, dass sich Sportler wie Deliège auf die Dienstleistungsfreiheit der EU-Verträge berufen können. Die offizielle Einstufung als „Amateur“ schließe dies nicht aus. Vielmehr lieferten „Hochleistungssportler“ oft die Grundlage für wirtschaftliche Leistungen, wenn diese vor zahlendem Publikum stattfinden oder im Fernsehen übertragen werden. Dennoch sind die Sportverbände, deren Existenzberechtigung hier massiv in Frage gestellt war, mit dem Urteil zufrieden, denn ihre Auswahlregeln für internationale Wettkämpfe wurden vom EuGH nicht beanstandet.

Da an einem Wettkampf nur eine beschränkte Zahl von Sportlern teilnehmen könne, so das in Luxemburg tagende Gericht, müsse es Auswahlkriterien geben. „Damit hat der EuGH die Autonomie des Sports grundsätzlich anerkannt“, freut sich Christophe De Kepper vom EU-Büro des Deutschen Sportbundes.

Heute wird der EuGH ein weiteres Urteil fällen, diesmal geht es um den Profisport. Der finnische Basketballspieler Jyri Lehtonen hatte moniert, dass er nur zu bestimmten Transferzeiten in die belgische Liga wechseln könne. Durch solche Transferfristen werde die „Freizügigkeit von Arbeitnehmern“ eingeschränkt. Vermutlich wird der EuGH auch hier im Interesse der Sportverbände urteilen. Diese hatten argumentiert, Transferfristen sollten verhindern, dass gegen Ende der Saison die Wettbewerbsbedingungen durch den Zukauf neuer Spieler verzerrt werden.

Nach Ansicht von EuGH-Generalanwalt Siegbert Alber, der das Urteil des Gerichtshofes durch ein Gutachten vorbereitete, ist dieses Ziel anerkennenswert. Er monierte lediglich die Inkonsequenz der belgischen Transferregelungen, die für den Import von Spielern aus Übersee andere Fristen vorsehen als für Europäer.

Es ist zu erwarten, dass der EuGH – wie so oft – dem Schlussantrag seines Generalanwaltes folgt. Doch auch wenn sich das Verhältnis der Sportverbände zum EuGH damit entspannen dürfte, wollen die auf Nummer sicher gehen. Bei der nächsten EU-Vertragsrevision, so fordern sie, soll die Autonomie des Sports ausdrücklich unter Schutz gestellt werden. CHRISTIAN RATH