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: Im After Work Club treffen sich erlebnishungrige Arbeitnehmer

NACH DEM STRESS

Kaum ist das neue Jahrtausend dreieinhalb Monate alt, haben sich in Berlin schon wieder aufregende Partytrends durchgesetzt. Nicht nur dass Ben Beckers In-Treff „Trompete“ die bunte Vielfalt interessanter Promi-Bars neben Mo Asumangs „Seven Lounge“ und Axel Kruses „Sport Bar“ bereichert, nein, auch die neuartigen After Work Clubs sind ein weiteres Indiz, dass Berlin seinen Ruf als Weltstadt behauptet.

Ausgehen nach gleich nach Büroschluss – ein vernünftiges Angebot, das endlich auch die Bedürfnisse der Arbeitnehmer berücksichtigt. Denn zur Arbeit gehen bekanntlich immer mehr.

Doch worum handelt es sich konkret? Die Party nach der Arbeit wird derzeit regelmäßig von drei Veranstaltern angeboten, im Kreuzberger PrivatClub sowie im Oxymoron in den Hackeschen Höfen jeweils mittwochs ab 19 Uhr und im Caroshi am Potsdamer Platz jeden Donnerstag ab 18 Uhr.

In diesen so genannten After Work Clubs können junge und erlebnishungrige Angestellte ihren Berufsalltag weit hinter sich lassen und die zahllosen Meetings, den Stress und den Ärger einfach vergessen. Computer, Chef, Sekräterin oder Sekretär scheinen plötzlich wie Begriffe aus einer fernen und fremden Welt. Kurzum: Bei einem leckeren Cocktail und lässiger Tanzmusik im Kreise ausgelassener und vertrauter Kollegen kehrt das Look & Feel fürs wirkliche Leben wie von selbst zurück.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Wer bereits um 19 Uhr mit dem Trinken beginnt, kann seinen Rausch schon ab 22.30 Uhr ausschlafen und ist am nächsten Arbeitstag taufrisch wie ein Frühlingsmorgen.

Ein Besuch in einem After Work Club ist wie ein kleiner Urlaub zwischendurch: gut für die Stimmung, gut fürs Engagement und damit gut für die Firma. Dass diese neuartige Party-Idee nur einmal die Woche angeboten wird, ist in diesem Zusammenhang nur zu befürworten. Nichts soll übertrieben werden, beim After Work Clubbing läuft der Spaß in angemessen geregelten Bahnen.

Doch einen Umstand haben die Anbieter übersehen. Wenn die After Work Clubs ihre Tore bereits am frühen Abend öffnen, sitzt die Zielgruppe noch eifrig am Schreibtisch und brütet tapfer über tolle und sinnvolle Projekte. Gerade in den heutzutage angesagten Berufsgruppen ist es ja üblich, weit über den Dienstschluss hinaus zu arbeiten und den letzten Rest Privatleben dankbar der Karriere zu opfern. Selbstaufgabe und Selbstausbeutung sind im Leben moderner Arbeitnehmer als unerlässliche Grundpfeiler der Selbstverwirklichung zu verstehen. Das sollte man respektieren.

Außerdem ist zu bedenken, dass zeitgleich zu den After Work Clubs viele Bars in der verzweifelten Suche nach Kunden auf eine so genannte „Happy Hour“ setzen; eine unmoderne Veranstaltung, die letztlich von nichts anderem handelt, als viel Cocktails für wenig Geld auszuschenken. Menschen, die meinen, sich schon vor Einbruch der Nacht dem Alkohol hingeben zu müssen, fühlen sich gemeinhin davon angezogen.

Damit es zwischen den langweiligen „Happy Hours“ und den brandheißen After Work Clubs nicht zu unschönen Verwechslungen kommt, mussten die Veranstalter handeln: mittlerweile verlangen sie Eintritt. Das ist zwar gut so, doch 10 Mark in der Regel sind zu wenig. Wer viel arbeitet, verdient auch viel, und wer viel verdient, möchte auch in kurzer Zeit viel ausgeben. Denn Freizeit wird für Arbeitnehmer zusehends knapper.

Obwohl sich der Partytrend Aggressive Spending in Berlin leider noch nicht durchgesetzt hat, sollten die Veranstalter dazu übergehen, ihre Kunden an die mildere Variante Extensive Spending zu gewöhnen. Höhere Preise steigern die Exklusivität einer Veranstaltung, auch strengere Dresscodes sollten After Work Clubs in Betracht ziehen.

So bleibt man unter sich. Von nichts anderem hat Ausgehen jemals gehandelt. HARALD PETERS