Neuer Friedensplan

London und Dublin wollen den Friedensprozess in Nordirland retten: IRA behält vorerst Waffen, muss aber den Krieg für beendet erklären

DUBLIN taz ■ Totgesagte leben länger. Die Regierungen in London und Dublin haben am Wochenende einen Plan ausgetüftelt, mit dem der nordirische Friedensprozess wiederbelebt werden soll. Demnach muss die Irisch-Republikanische Armee (IRA) ihre Waffen nicht abgeben, bevor die nordirische Regionalregierung wieder eingesetzt wird. Es reicht, wenn sie erklärt, dass „der Krieg für immer vorbei“ sei.

Der britische Nordirlandminister Peter Mandelson hatte die Regionalregierung und die gesamtirischen Institutionen, die im Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998 vorgesehen sind, am 11. Februar nach nur neun Wochen Amtszeit suspendiert, weil Nordirlands Premierminister und Unionistenchef David Trimble es verlangt hatte. Er musste sich am nächsten Tag dem Rat seiner Partei stellen, den er im November vorigen Jahres nur mit der Aussicht auf eine bevorstehende IRA-Abrüstung davon überzeugt hatte, einer Regierung mit Beteiligung von Sinn Féin, dem politischen Flügel der IRA, zuzustimmen. Da das nicht geschehen war, wäre Trimble von seiner Partei zum Rücktritt gezwungen worden.

Der neue Plan der beiden Regierungen enthält mehrere Unwägbarkeiten. Es ist keineswegs sicher, ob es Trimble gelingt, ihn seiner eigenen Partei schmackhaft zu machen. Mindestens 47 Prozent der Ulster Unionist Party sind gegen ihn, so viele haben auf dem Parteitag im vorigen Monat für seinen Sturz als Parteivorsitzender gestimmt.

Es ist nicht zu erwarten, dass sie von ihrem Grundsatz – „no guns, no government“ – abrücken werden, auch wenn im Gegenzug Zugeständnisse bei der Polizeireform gemacht werden sollen. So soll die zu 93 Prozent protestantische Polizei zumindest ihr Wappen mit der Krone behalten dürfen, eventuell sogar ihren Namen „Royal Ulster Constabulary“. Vorige Woche wurde ihr von Königin Elisabeth in Belfast die höchste britische Tapferkeitsmedaille verliehen.

Zum anderen hat die IRA bisher keine Bereitschaft gezeigt, ihren Krieg offiziell für beendet zu erklären. Und die Waffenfrage ist zwar vertagt worden, aber ganz vom Tisch ist sie nicht: Die Regierungen in London und Dublin verlangen einen Zeitplan für die Abrüstung, auch wenn er noch so langfristig sein mag. Von der Hoffnung, dass die IRA bis zum 22. Mai, dem zweiten Jahrestag des Referendums über das Abkommen, mit der Waffenabgabe beginnen würde, hat man sich längst verabschiedet. Die Entscheidung darüber liegt beim siebenköpfigen IRA-Armeerat, zu dem drei gewählte Sinn-Féin-Mitglieder gehören. Das letzte Wort haben die rund 600 IRA-Mitglieder. Von denen ist aber nur eine Minderheit der Abrüstung zugeneigt. RALF SOTSCHECK

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