Essen im Kreis

Autoabgase hin und her: Anfang Mai eröffnetan der Siegessäule im Tiergarten das Café Victoria

An der Siegessäule mitten in Berlin gibt es künftig einen Appetizer der besonderen Art: Ein Vorspeisenteller – nach dem Mega-Kreisverkehr „Großer Stern“ benannt – steht auf der Karte des Cafés „Viktoria“ im Torhäuschen an der Altonaer Straße. Eröffnung ist Anfang Mai. Der „Große Stern“ – Albtraum eines jeden Autofahrers – wird dann als herzhafter, harmloser Bissen kredenzt. Und endlich können gestresste Berlin-Touristen auf der Straße des 17. Juni verschnaufen.

Wann kann man schon mal ein Wahrzeichen pachten, dachte sich Historikerin Ute Grallert, als sie die Annonce des Bezirksamtes Tiergarten in der Zeitung las. Gemeinsam mit einem Kunsthistoriker, einem Banker und einem PR-Berater gründete sie eigens für das Betreiben der Säule inklusive Torhäuschen die „Monument Tales GmbH“.

Die vier erst 1939 erbauten Torhäuschen bilden den Eingang zu Tunneln, durch die man unter dem Kreisverkehr sicher zur Säule gelangen kann. Die anderen drei Häuschen werden unter anderem von der Bewag oder als Baubüro genutzt. Das vierte – in den 70er-Jahren ein Kinderladen – steht nunmehr seit 25 Jahren leer und gehört zum „Pachtobjekt Siegessäule“. Mit Eigenkapital und einem Kredit ließ die „Monument Tales“ das denkmalgeschützte Torhäuschen für rund 600.000 Mark in vier Monaten um- und ausbauen, erzählt Geschäftsführerin Grallert. Wiener-Kaffeehaus-Stühle stehen auf Eichenparkett. Im Schutz des Tiergartens wird man nun auch im Freien Kaffee trinken können.

Die Säulen-Pächter haben neben der grandiosen Aussicht von „ihrem Wahrzeichen“ mehr als nur das Kulinarische im Blick. Derzeit informiert eine Ausstellung über die Geschichte der Siegessäule. Die nächste Schau ist in Arbeit: Monumente aus europäischen Städten, die über die Geschichte ihres Landes erzählen – wie das Kolosseum in Rom, der Triumphbogen in Paris und der Kreml in Moskau – werden ab Sommer 2001 en miniature zu sehen sein. Die ersten dieser Objekte in Kleinformat sind schon zu bewundern. Denn über die Nationen kann man nicht nur etwas aus Geschichtsbüchern erfahren, meint Grallert. So wie die Siegessäule etwas über das Entstehen der deutschen Nationalbewegung erzählt, geben andere Denkmäler über die Historie ihres Landes Auskunft.

Die 69 Meter hohe Siegessäule entstand zwischen 1865 und 1873 nach den Entwürfen von Johann Heinrich Strack. Über eine Wendeltreppe geht's auf eine Plattform in 58 Metern Höhe. Den Zweiten Weltkrieg hatte das Denkmal fast unbeschädigt überstanden, Mitte der 80er wurde es grundlegend restauriert. Die 35 Tonnen schwere, vergoldete Bronzeskulptur der behelmten Viktoria mit Lorbeerkranz wird im Volksmund „Goldelse“ genannt. MARION SCHIERZ (adn)