Die Kunst der Beschwörung

In der Galerie Kapinos zeigt die kalifornische Künstlerin Rachel Lachowicz mit rätselhaften Skulpturen und feinem Handwerk ihre Analyse der jüngeren Kunstgeschichte. Zu ihr zählt auch eine Dose „Schlosser Alt“

Seit mehr als zehn Jahren erforscht die kalifornische Künstlerin Rachel Lachowicz die Kunstgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Dafür hat sie eine Technik entwickelt, die darin besteht, sich berühmte – meist männliche – Vorbilder und Klassiker vorzuknöpfen, deren Produktionen sie sich aneignet, um sie dann mit einem sozialkritischen oder ironischen Gestus in einen neuen Kontext zu setzen.

Die letzten Ergebnisse ihrer oft witzigen Analyse sind jetzt in der Galerie Kapinos zu sehen. Für „Motel Matches-Portrait of a Ready Made (after Kippenberger)“ hat Lachowicz eine übergroße Version von einer „Schlosser Alt“-Bierdose aus Holz geschaffen, bemalt und schließlich in Brand gesetzt. Auf einem Podest steht der verkohlte Rest vor einer Wand, an der zwei großformatige Fotografien den Weg zum Original dokumentieren. Links ist das Fake der Multiple-Fassung zu sehen und rechts der brennende Fetisch als Form der rituellen Hommage sowie auch der Beschwörung.

Die Bierdose war nämlich ein beliebtes Motiv im Werk von Martin Kippenberger – dazu aber auch ein hartes, existenzielles Motivationsmittel. Es taucht zum Beispiel auf dem Gemälde „Alkoholfolter“ aus dem Jahr 1981 auf: ein Selbstporträt des 1997 an Leberkrebs gestorbenen Künstlers, auf dem seine Handgelenke in den leeren Tragringen aus Plastik links und rechts von der Bierdose stecken.

Mit der Arbeit „Fucking Painters“ beschwört Lachowicz ihr Überleben als Künstlerin und greift dafür auf ihre eigene materielle Handschrift – den Lidschatten – zurück. Dabei benutzt die Künstlerin kleine, mit Lidschattenmasse gefüllte viereckige Behälter, die sie dann wie Mosaiksteine zusammensetzt. Mit Behältern aus schwarzem Lidschatten hat sie den Titel des Werks groß auf einen weißen Hintergrund geschrieben, der ebenfalls aus Lidschattenbehältern besteht. Ein ziemlich mühsamer Weg für einen recht banalen Satz, der heutzutage nicht mehr als das performative Wiederholen einer blasierten Kampfhaltung zu transportieren scheint. Dass „Fucking Painters“ sonst an die Spracharbeiten von Christopher Wool erinnern kann, merkt wohl nur der Connaisseur.

Überhaupt sind künstlerische Einflüsse nie einfach zu entziffern, wie die Arbeit „Hopelessly Marinettied to Picabia“ zeigt. Hier hat Lachowicz ein kleine Kodak-Wegwerfkamera auf eine Balgenkamera aus den Zwanzigerjahren installiert und das Ganze auf ein Podest gestellt. Eine ziemlich rätselhafte Skulptur, die ein futuristischer Entwurf von Marinetti sein könnte. Davor muss der mit gutem kunstgeschichtlichem Wissen ausgerüstete Besucher alllerdings eine Weile stehen, um zu erkennen, dass es sich um die dreidimensionale Übersetzung von Picabias Porträt von Alfred Stieglitz „Ici c'est ici Stieglitz“ aus dem Jahr 1915 handelt. YVES ROSSET

Bis 13. Mai, Di.–Fr. 13–19, Sa. 13 bis 18 Uhr, Galerie Kapinos, Gipsstr. 3