Der große Rausschmiss

Innensenator Eckart Werthebach (CDU) will mehr als die Hälfte der Verfassungsschützer auswechseln. Geheimdienst soll Politikberatung machen. Geteiltes Echo bei SPD und Opposition

von DOROTHEE WINDEN

Der skandalgebeutelte Verfassungsschutz soll gründlich aufgeräumt werden. Innensenator Eckart Werthebach (CDU) plant, mehr als die Hälfte der 242 Verfassungsschützer zu entlassen und überwiegend durch Akademiker zu ersetzen. Der Personalaustausch wird auch Führungskräfte betreffen, erklärte gestern eine Sprecherin der Senatsinnenverwaltung.

Für die Auswertung der Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen sollen künftig vor allem Politologen und Soziologen eingesetzt werden. Das hatte die für den Verfassungsschutz zuständige Innenstaatssekretärin Mathilde Koller gegenüber dem Tagesspiegel erklärt. Der Verfassungsschutz solle ein „politisches Analyseinstrument“ werden, das die demokratischen Parteien beraten könne.

Die Radikalkur für den Geheimdienst sieht zudem vor, das Landesamt als eigenständige Behörde aufzulösen und in die Innenverwaltung einzugliedern. Dies hatte Werthebach Ende März nach dem jüngsten Skandal um einen früheren Stasi-Spitzel im Dienst des Amtes angekündigt.

Die neue Ausrichtung des Geheimdienstes stößt bei den Grünen und Teilen der SPD auf Ablehnung. „Für die Politikberatung muss man andere Institutionen wählen“, sagte der SPD-Innenexperte Hans-Georg Lorenz. Wenn sich der Verfassungsschutz auf die wenigen Bereiche konzentriere, in denen nachrichtendienstliche Mittel wie Abhörmaßnahmen oder V-Leute erforderlich seien, könne er mit der Hälfte des Personals auskommen. Zu diesen Bereichen würden gewalttätige Rechtsextremisten und extremistische Ausländer gehören.

Der verfassungsschutzpolitische Sprecher der SPD, Klaus-Uwe Benneter, kommentierte die Pläne Werthebachs grundsätzlich positiv. Der Personalaustausch dürfe aber nicht dazu führen, dass missliebige Personen ausgetauscht und durch willfährige Kräfte ersetzt werden.

Das Vorhaben, den Verfassungsschutz als Instrument der Politikberatung zu nutzen, ist nach Auffassung der grünen Fraktionschefin Renate Künast nicht durch das Gesetz gedeckt. „Allgemeine politische Analysen darf dieses Amt nicht erstellen, weil es nachrichtendienstliche Mittel anwendet.“ Eine Politikberatung, die mit solchen Mitteln zustande komme, dürfe die Politik nicht annehmen.

Kollers Ankündigung, dass nach der Reform einzelne Beobachtungsobjekte entfallen könnten, wirft für Künast „kritische Fragen zur heutigen Tätigkeit des Amtes auf“. Die Beobachtung von Teilen der PDS und von Scientology sei bereits jetzt nicht zu verantworten und werde innerhalb des Verfassungsschutzes längst in Frage gestellt. Auch Benneter und Lorenz sprachen sich dafür aus, die Beobachtung von Teilen der PDS einzustellen.