Der lange Marsch durch die Ölpest

■ Anfang Mai ereignete sich auf einer dänischen Ölplattform in der Nordsee ein Ölunfall / Das weckt unangenehme Erinnerungen an die „Pallas“-Katastrophe von 1998 – denn auch da funktionierte das Krisenmanagement der Behörden nur ganz schlecht

Am westlichen Zipfel seines Hoheitsgebietes hat die Bundesrepublik einen Schniepel: den Entenschnabel – ein Keil, der sich von Emden über Bremen bis Husum in die Nordsee erstreckt, gut 230 Seemeilen tief bis knapp vor England. Vor dem deutschen Schnabel liegen englische, rechts neben ihm dänische und norwegische und links neben ihm niederländische Gas- und Ölfelder – jeweils von Bremen aus gesehen. Dies war keine seemännisch korrekte Positionierung. Seemännisch korrekt kann man aber den Vorfall im dänischen Svend Gasfeld am Entenschnabel als „Schiet“ bezeichnen. Da flossen nämlich am 7. Mai, von der Ölplattform „South Arne“ 2.000 Kubikmeter Rohöl in die Nordsee und keiner hat etwas gemerkt.

Jedenfalls dauerte es lange bis die Dänen deutsche Behörden informierten. Zufällig war ein Reporter der taz bremen vor Ort, an Bord der „Neuwerk“. Seine Suche nach dem Schuldigen, die Ölplattform „South Arne“ blieb allerdings erfolglos. In den üblichen Seekarten, ist die dänische Ölplattform nicht einmal eingezeichent.

„Die dänische Seite gewährt uns keinen Einblick in ihre internen Verwaltungsakte“, meint Berend Scheffel von der Sonderstelle des Bundes zur Bekämpfung von Umweltverschmutzung in Cuxhaven bedauernd. Er teilt knapp die Fakten mit: 2.000 Kubikmeter Rohöl gelangen von der „South Arne“ am 7. Mai in die offene See; ein dänisches Ölbekämpfungsschiff saugt sofort 300 Kubikmeter Öl ab; Öl-Alarm für Deutschland wird aber erst vier Tage später gegeben: Am 11. Mai informieren die Dänen die deutschen Behörden über den Ölunfall. Die Sonderstelle des Bundes zur Bekämpfung von Umweltverschmutzung ist in Cuxhaven dem Zentralen Meldekopf (ZMK) angegliedert. Der koordiniert das Krisenmanagement, wenn es an der deutschen Küste zu einer Ölkatastrophe kommen sollte. Der ZMK tritt nach der Öl-Meldung aus Dänemark auch sofort in Aktion. „Wir sind von den Dänen erst am 11. Mai von dem Unfall unterrichtet worden und haben sofort über den ZMK das Schadstoff-Bekämpfungsschiff „Neuwerk“ zu der Unfallstelle in Fahrt gebracht. Warum die Dänen uns so spät informiert haben, weiß ich nicht. Ich mag dazu auch nichts sagen“, Scheffel wirkt sichtlich genervt.

Zwar dampfte die „Neuwerk“ sofort nach Order in den Entenschnabel, fand aber nach Eintreffen am 12. Mai nur noch Ölschlieren, die nicht mehr aufgesaugt werden konnten. „Rohöl verdunstet im Gegensatz zu Schweröl sehr schnell“, meint Norbert Kersting, Kapitän der Neuwerk. Im Entenschnabel sind am 12. Mai nur Anzeichen einer Algenpest zu erkennen, die sich hier aufbaut. Von Ölpest keine Spur. „Die See hat den Ölteppich in den vergangenen Tagen wahrscheinlich zerrissen“, meint Kapitän Kersting. Sicherheitshalber lässt er aber auf Anweisung des ZMK an vier weit auseinander liegenden Stellen Proben aus der Nordsee ziehen. Im Gegensatz zu Schweröl, dem weiter verarbeiteten Rohöl, ist Rohöl selbst wasserklar. Es liegt nicht wie Schweröl als dicke Placken auf dem Wasser. Man erkennt es aber an der Verfärbung des Wassers. Im Entenschnabel gibt es für die „Neuwerk“ diesmal nichts mehr zu tun.

Trotzdem werden böse Erinnerungen wach. Als am 25.10.1998 der brennende Holzfrachter „Pallas“ vom Treibsand der Nordseeinsel Amrum verschluckt wurde, waren alle Bemühungen gescheitert, die seit Jahren größte Ölkatastrophe im deutschen Wattenmeer in den Griff zu bekommen. Die Bilanz: Vergleichsweise wenig Schweröl, nämlich nur 100 Tonnen, hatte 16.000 Seevögel krepieren lassen. Die erfolglosen Versuche, den Havaristen zu bergen und die anschließende Reinigung verdreckter Strände kosteten die SteuerzahlerInnen 30 Millionen Mark. Von der Versicherung der Pallas als Schadensausgleich wurden an die Bundesrepublik nur 3,3 Millionen Mark gezahlt.

„Dass wir bei den Bergungsversuchen keine Menschenleben zu beklagen hatten, lag nur an der Professionalität und der Einsatzbereitschaft unserer Mannschaften“, meint Norbert Kersting, Kapitän der Neuwerk. Das Schiff war, neben zahlreichen anderen, vor Amrum im Einsatz. Kersting selbst war als Sicherheitswache an Land. Aber weder die Neuwerk, noch ihr Schwesternschiff die Mellum, noch der vom Bund gecharterte Notschlepper „Oceanic“ schafften es, eine Schleppverbindung zur Pallas herzustellen. Selbst ein privater englischer Schlepper durfte sein Glück versuchen – ohne Erfolg, wie seine Vorstreiter. Damals schwirrte eine ganze Flotte, vom Seenotrettungskreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger bis zum kleinen Peilschiff zur verunglückten Pallas, um zu retten, was nicht mehr zu retten war. Daraufhin entbrannte eine emotional aufgeheizte Diskussion um die Ursachen des Fehlschlages der Pallas-Rettung.

Das Seeamt Kiel stellte damals nach fünftägiger Verhandlung unter anderem fest, dänische und deutsche Behörden hätten die Gefahrenlage falsch eingeschätzt. Unter dem Strich gab das Amt dem schlechten Wetter und der schweren See die Schuld an dem Pallas-Unglück. Das späte Eingreifen deutscher Rettungseinheiten wurde auch auf mangelnde Kommunikation zwischen Deutschland und Dänemark zurückgeführt. Sowohl in den nachfolgenden Untersuchungen des Kieler Landtages, als auch in den Untersuchungen der von Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt eingesetzten Grobecker-Kommission, (so genannt nach ihrem Vorsitzenden, dem ehemaligen Bremer Senator Claus Grobecker, SPD) wurden Informationsdefizite zwischen deutschen und dänischen Behörden beklagt.

Das verwundert, denn eigentlich ist die Verfahrensweise, wie bei solchen Unfällen vorzugehen ist, im „Bonn-Abkommen“ geregelt. Die Zusammenarbeit bei der Bewältigung internationaler Ölunfälle gerade mit Dänemark zu intensivieren steht trotzdem ganz oben auf der Liste sämtlicher Untersuchungskommissionen (siehe auch Kasten). Der neue Vorfall, der Ölunfall auf der South Arne, macht deutlich, wie notwendig eine effektive Kommunikation gerade zwischen Deutschland und Dänemark zur Abwehr von Meeresverschmutzung in der Nordsee ist.

Thomas Schumacher.