Sand im Direktionsflur

Katzen und Blumen zwischen Xerox-Kopiergeräten, blauem Linoleum und kahlen Prüfstoffzimmern: Die Galerie de Lavoisier im Europäischen Patentamt zeigt Arbeiten der französischen Künstlerin Cécile Coiffard

Kunstwerke und technische Erfindungen teilen ein gemeinsames Schicksal. Um die Öffentlichkeit und den Markt wirksam zu erreichen, müssen sie den Weg durch bestimmte Institutionen durchlaufen. Im Kunstbetrieb kann ja jeder ein Joseph Beuys sein, doch ohne den Stempel der offiziellen Kunstkritik wird er nur dessen anonymer Epigone bleiben. Auch im technischen Bereich darf jeder Daniel Düsentrieb nachahmen: Ohne den Weg über das Patentamt bleiben seine Erfindungen nur Hirngespinste.

Es kann aber durchaus passieren, dass diese zwei Welten sich treffen. Während zum Beispiel zwischen Hannover und dem Martin-Gropius-Bau zur Zeit die Technik museal gefeiert wird, zeigt die Galerie de Lavoisier in der Berliner Dienststelle des europäischen Patentamtes die Arbeit der französischen Künstlerin Cécile Coiffard.

Die in Berlin lebende Coiffard ist an unübliche Ausstellungsorte gewöhnt. Ihre Bilder zeigte sie auch schon im Maison de France oder im Potsdamer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Vom „Kunstclub ChEM“ (eine hausinterne Initiative zur Förderung jünger KünstlerInnen) eingeladen, hat sie jetzt mehr als vierzig ihrer Arbeiten im zweiten Stock des Amtsgebäudes in der Gitschiner Straße aufgehängt und damit das eigentlich ursprüngliche Ziel der Veranstalter – den „Direktionsflur mittels Kunstausstellungen zu verschönern“– gänzlich erfüllt. Als Material für ihre Bilder benutzt Coiffard vor allem Sand, der von ihr und ihren Freunden aus den verschiedensten Ecken der Welt nach Berlin in Plastiktüten mitgebracht wurde. Das auf Leinwand mit Kleber gefestigte und mit Firniss gedeckte verwitterte Gestein dient dem Abbilden von Motiven, die zum Teil direkt an das beziehungsreiche Material selbst anknüpfen. Während „Hasi-Goreng im Zen-Garten“ die Silhouette eines Hasen vor dem Hintergrund zarter Wellenlinien darstellt, wird in den drei Arbeiten unter dem Titel „Prisma“ die natürliche Gegebenheit des Sands als organische Zeichnungsfläche umgekehrt, indem seine lockere Substanz in ein streng geometrisches Muster aus kleinen Quadraten unterschiedlicher Farbtöne gezwungen wird.

Meistens allerdings wird der Sand von Coiffard als einfacher Farbenersatz benutzt, womit sie vor Hintergründen, die an afrikanische Stoffmuster oder an die orientalische Ornamentik erinnern, unermüdlich Katzen- bzw. Blumenformen zeichnet. Eine fast obsessive mädchenhafte Vorliebe, die in der sterilen bürokratischen Atmosphäre zwischen Kopiergeräten und Türschildern recht dekorativ wirkt, die aber nur die gleiche vorläufige Begeisterung auslöst, wie die der Eltern vor den Zeichnungen ihrer Lieblinge.

Witziger und – man könnte fast sagen: feministischer ist dagegen die „Vache en août“ betitelte Serie von Zeichnungen, die Coiffard mit Acryl auf Geschirrtüchern gefertigt hat. Es sind zwar nur Kühe, die da in einem comicartigen Stil abgebildet sind, aber immerhin ein Zeichen dafür, dass auch die gewöhnlichsten (und in diesem Fall wahrscheinlich sogar noch nicht patentierten) Haushaltsutensilien dem emanzipatorischen Gestus der Kunst dienen können. Martha Rossler lässt also grüßen. YVES ROSSET

Bis 9. 6., Mo – Fr, 9 – 17 Uhr, Galerie de Lavoisier. Europäisches Patentamt, 2. Stock, Gitschiner Str. 103