Gebühren als Strafe, nicht Anreiz

Deutschlands Kultusminister waren sich einig: Dauerstudenten dürfen mit Gebühren belegt werden. Dieser Beschluss ist genau das falsche Signal

von RALPH BOLLMANN

Fünf Jahre lang haben die deutschen Kultusminister gestritten – jetzt fassten sie in der idyllischen südthüringischen Kleinstadt Meiningen einen wenig idyllischen Beschluss: Jedem Bundesland ist es nun freigestellt, von so genannten Langzeitstudenten Studiengebühren zu kassieren. Damit haben die 16 Ressortchefs das Modell nachträglich abgesegnet, das der baden-württembergische Wissenschaftsminister Klaus von Trotha im Alleingang eingeführt hatte. Wer die Regelstudienzeit im Südwesten um mehr als vier Semester überschreitet, muss bereits 1.000 Mark pro Halbjahr berappen. Jetzt werden andere Bundesländer folgen. Das SPD-regierte Niedersachsen und das CDU-regierte Saarland haben dies bereits angekündigt.

Aber auch die strikten Gebührengegner unter Deutschlands Bildungsministern mussten gestern nicht mit leeren Händen aus Thüringen abreisen.

Die Alternative: Studienkonten

Ihr Wortführer aus Rheinland-Pfalz, Jürgen Zöllner (SPD), hatte als Alternative zu den Gebühren ein Modell von „Studienkonten“ durchgesetzt. Das bedeutet, dass die Studierenden eine bestimmte Gesamtzahl von Vorlesungen und Seminaren besuchen dürfen – unabhängig davon, wie viel Semester sie dafür benötigen. Dieses System berücksichtigt also auch die Teilzeitstudenten, die nebenher berufstätig sind oder Kinder erziehen. Allerdings wird der Uni-Betrieb noch bürokratischer als bisher.

Jedenfalls lobten sich die 16 Minister für den mühsam errungenen Kompromiss. Wirklich zufrieden können mit dem Meininger Beschluss aber weder die Befürworter noch die Gegner von Studiengebühren sein. Denn das Meininger Reförmchen nimmt nur die Nachteile, nicht aber die Vorteile beider Denkrichtungen auf.

Die Befürworter von Gebühren haben das bezahlte Studium stets als den entscheidenden Schlüssel für die überfällige Reform der deutschen Hochschulen gepriesen. Wenn die Studenten bezahlen, so das Argument, könnten sie mit der Marktmacht des Nachfragers auftreten – die Universitäten als Anbieter müssten sich unweigerlich fügen und die Qualität ihrer Ausbildung verbessern, was sie mit den zusätzlichen Geldern auch könnten.

Was die Kultusminister jetzt beschlossen haben, ist das genaue Gegenteil dieses Konzepts: Gebühren als Strafe, nicht als Anreiz. Gebühren, die obendrein – wie in Baden-Württemberg bereits geschehen – in der Landeskasse verschwinden, statt den Hochschulen zugute zu kommen.

Minister auf der schiefen Ebene

Damit sind die Weichen bereits gestellt für den von Gebührengegnern befürchteten Fall, dass sich die Minister mit ihrem Meininger Beschluss auf eine schiefe Ebene begeben, auf der sie über kurz oder lang zu allgemeinen Studiengebühren auch während der regulären Ausbildungszeit rutschen. Ein solcher Obolus wäre dann nichts anderes als ein Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Haushalte.

Die Konferenz der Kultusminister, deren Mühlen schon immer sehr langsam mahlten, verharrt mit ihrer Kampagne gegen das überlange Studium ohnehin auf einem längst überholten Diskussionsstand. Über das Zerrbild vom „Bummelstudenten“, der dem Steuerzahler auf der Tasche liegt, ist die Zeit längst hinweggegangen. Wer länger studiert als nötig, das zeigen alle einschlägigen Studien, hat dafür in der Regel gute Gründe. Meist ist es eine bezahlte Arbeit, die den Abschluss des Studiums verhindert. Solche Teilzeitstudenten besuchen insgesamt aber nicht mehr Lehrveranstaltungen als andere. Sie belasten den Uni-Etat also nicht zusätzlich.

Gewiss kann man fragen, ob Berufstätige in den Genuss des Studentenausweises kommen sollen, der ihnen vor allem zu verbilligten Fahrten mit Bussen und Bahnen verhilft. Der Kampf gegen Graufahrten im öffentlichen Nahverkehr ist freilich nicht jene bildungspolitische Großtat, als die Deutschlands Kultusminister ihren Meininger Beschluss verkaufen wollen.