„Unauffällig ist kein Wort für mich“

Pornodarstellerin? Pornoproduzentin? Wenn, dann möchte sie Medienfrau genannt werden. Aber eigentlich braucht sie keine Berufsbezeichnung.Der Name genügt. Dolly Buster hat ein Buch geschrieben. Ein Gespräch

Interview MONIKA GOETSCH

taz: Hängen Ihnen die Pornos manchmal zum Hals raus?

Dolly Buster: Nein.

Möchten Sie auch mal andere Filme machen?

Nein. Das ist so anstrengend. Manchmal werden an einem Tag nur eineinhalb Minuten gedreht. An einem Tag! Da drehe ich doch wahnsinnig viele Szenen. Da passiert schon was.

Warum sind Sie so ehrgeizig und selbstbewusst?

Das ist angeboren. Vielleicht auch anerzogen. Meine Mutter hat mich schon immer selbst Entscheidungen treffen lassen. Kann sein, dass man dadurch zu sich selbst findet. Meine Freundinnen sagen häufig: Oh, das hätte ich mich nicht getraut, da hätte ich aber Angst. Das gibt es bei mir nicht.

Sie haben keine Ängste?

Klar habe ich Ängste. Ich habe Angst, dass mir jemand reinfährt oder dass ein Flugzeug abstürzt, in dem ich sitze. Manchmal habe ich sogar panische Angst. Aber ich habe keine Angst vor meinen eigenen Entscheidungen und Taten.

Wachsen Sie an den Herausforderungen?

Ja. Ich lerne. Ich lerne von anderen. Aber hauptsächlich durch mich selbst. Ich steht immer wieder vor ähnlichen Entscheidungen. Und ich habe gelernt, das Richtige zu tun.

Sie lernen weiter?

Man lernt immer. Auch wenn man 90 ist, man lernt dazu.

Sie sind sehr selbstkritisch.

Ja.

Tut das nicht weh?

Nein. Es tut weh, wenn mich andere kritisieren.

Sie müssen sehr dickfellig sein in Ihrem Job?

O ja.

Toleriert die Gesellschaft Porno nicht schon längst?

Ja und nein. Durch die vielen Fernsehauftritte und Berichte ist Porno gesellschaftsfähig geworden. Aber es gibt immer noch Dinge, die man nicht für möglich gehalten hätte.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel rufen mich immer noch Journalisten an und sind verzweifelt, weil sie meine Berufsbezeichnung nicht kennen.

Pornodarstellerin, Pornoproduzentin, Medienfrau ... Suchen Sie sich eine aus.

Wenn, dann Medienfrau. Aber eigentlich brauche ich keine Berufsbezeichnung. Der Name genügt.

Der Name ist Ihr Image. Unterscheiden Sie sich davon?

Nein. Ich habe ja nicht nur ein Image. Für die einen bin ich die blöde Blonde, für die anderen eine intelligente Geschäftsfrau ... Vor allem heißt Buster: ständige Lust, sexuelle Freizügigkeit, Seitensprünge noch und noch.

Dabei bin ich gar nicht der Typ für Seitensprünge! Ich gehe auch kaum auf Partys. Weil ich beruflich sowieso ständig mit anderen Menschen zu tun habe. Abends lege ich mich am liebsten mit einem Buch ins Bett.

Mit Ihrem Partner, dem Pornoproduzenten Josef Baumberger, leben Sie zurückgezogen.

Das kann man sagen.

In Ihrem Buch halten Sie sich auch ziemlich bedeckt. Warum enttäuschen Sie Ihre Fans?

Ich wollte sie gerade nicht enttäuschen. Darum erzähle ich nichts weiter von mir. Es besteht für mich überhaupt kein Grund, irgendjemandem von meiner Vergangenheit zu erzählen. Einfach deshalb, weil die Vergangenheit nicht spannend war. Außerdem habe ich alles Erzählenswerte schon in hundert Interviews erzählt.

Es wird also nie eine Buster-Autobiografie geben?

Alle haben mir geraten, eine Biografie zu schreiben. Aber ich hasse Biografien. Niemals würde ich mir eine Biografie kaufen. Biografien sind eine senile Art der Selbstverherrlichung!

Wie geht es denn für Sie weiter?

Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich werde ich mich im Lauf der Zeit ein wenig zurückziehen und für meine Hunde da sein und für mich selbst. So wie jetzt geht es auf keinen Fall weiter.

Warum?

Weil es zu stressig ist, jeden Tag unterwegs zu sein und nur noch im Auto zu schlafen.

Strengt es Sie an, eine öffentliche Person zu sein?

Zum Teil ist es angenehm. Zum Teil unangenehm.

Können Sie noch unauffällig über die Straße gehen?

Unauffällig ist wohl nicht das passende Wort für mich. Nein, ich werde fast immer erkannt. Aber ich nehme darauf keine Rücksicht.

Sie haben einen ziemlich emanzipierten Weg eingeschlagen.

Ja. Das war für mich selbstverständlich. In Tschechien waren die Frauen schon in meiner Kindheit gleichberechtigter als hier. Das Wort Emanzipation gab es gar nicht.

Emanzipation war für Sie nie Thema?

Nie. Ich hatte auch nie das Gefühl, als Dummchen behandelt zu werden. Aber das liegt wahrscheinlich an meiner Dominanzstärke. Ich setze mich sowieso immer durch.

Wie ist Ihr Verhältnis zu anderen Frauen? Sind Sie die große Rivalin?

Nicht mehr. Inzwischen kommen Frauen zu mir, um zu fragen, ob sie mich mit ihrem Mann fotografieren dürfen. Sehr oft stehen auch haufenweise junge Mädels vor meiner Villa und wollen Autogramme. Ich finde total spannend, dass sich alles so gewandelt hat.

Dass Sie zum Idol geworden sind.

Ja.

Woran liegt das?

An meiner Fernsehpräsenz. Außerdem biete ich Identifikationsmöglichkeiten. Die Frauen sehen, dass ich gar nicht so anders denke als sie.

Geben Sie uns einen Tipp: Seit zehn Jahren sind Sie glücklich mit Ihrem Partner zusammen. Warum klappt’s?

Weil wir uns nicht auf die Füße treten. Obwohl wir zusammen arbeiten, sehen wir uns kaum. Außerdem kontrollieren wir uns nicht. Früher habe ich schon mal auf dem Handy geguckt, welche Nummer er zuletzt angerufen hat. Das tue ich schon längst nicht mehr. Wer was erzählen will, erzählt es. Wenn man nichts erzählt: auch gut. Wir machen uns keine Gedanken darüber, was das eine oder andere bedeutet. Diese wahnsinnigen Eifersuchten und Minderwertigkeitskomplexe sind vorbei. Man muss das gelassener sehen. Ich werde von Jahr zu Jahr gelassener. Und gewinne an Selbstbewusstsein. Das liegt an der Beziehung. Nur in einer guten Beziehung steigt das Selbstbewusstsein.

Sie sind zu selbstbewusst, um eifersüchtig zu sein?

Genau!

In Ihrem Buch schreiben Sie, Männer seien nicht monogam.

Männer sind testosterongesteuert. Die ganze Frauenjagerei hat mit Testosteron zu tun. Normalerweise sind Männer nicht monogam.

Ihrer schon?

Das wollen wir hoffen.

Möchten Sie Familie haben?

Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, mit einem Kind am Tisch zu sitzen und Hausaufgaben zu machen. Und ich tue mir Sachen nicht einfach deshalb an, weil sie üblich sind.

Dabei haben Sie eine mütterliche Seite.

Stimmt. Wenn ich mit meinen Hunden spreche, heiße ich Mama und mein Mann Papa. Ich bin schon sehr fürsorglich.

Viele Menschen haben Vertrauen zu Ihnen. Warum?

Weil sie merken, dass mich ihre Geschichte interessiert. Ganz oft erzählen sie mir alles. Einfach alles. Für mich sind das Lebensstudien. Es ist doch ungeheuer spannend, wie eine Frau, der mit Männern nur Niederschmetterndes passiert ist, aus ihren Schwierigkeiten gefunden hat. Oder wie eine andere den Krebs besiegt. Ich höre mir solche Geschichten gern an. Es klingt sehr blöd, trotzdem: Das ist eine Lehre für mich. Ich sehe, wie das Leben vor sich geht.

Können Sie selbst denn überhaupt noch jemandem etwas erzählen, ohne dass es gleich in den Medien steht?

Ich erzähle den Medien sowieso alles. Es bleibt gar nichts mehr übrig.

Fühlen Sie sich ausgesogen?

Nein. Das gehört dazu. Aber manchmal bin ich müde.

Möchten Sie gern häufiger in den seriösen Medien auftreten?

Ja, ich finde das schön.

Intelligent sein zu dürfen?

Etwas für Intelligentere zu machen.

Haben Sie heute schon meditiert?

Nein. Mein Buddha hat heute auch noch kein neues Wasser bekommen. Ich habe es einfach nicht geschafft.

Sonst meditieren Sie täglich?

Ich möchte gern. Aber ehrlich gesagt: Ich kann es nicht. Um zu meditieren, bin ich viel zu hektisch und verwirrt.

Verwirrt?

Ich habe zu viele Termine. Und bin ständig unterwegs.

Was soll dann die Meditation?

Ich verspreche mir davon Ruhe, Ausgeglichenheit, mehr Verständnis für die Welt. Ein komplettes Gleichgewicht, ein Wohlfühlen.

Haben Sie das schon mal erreicht?

Nur kurz. Nicht auf Dauer.

Sie sind also auf dem besten Weg zur Erleuchtung?

Nein, das wäre zu viel gesagt. So weit bin ich noch lange nicht. Warum werben Sie dann in Ihrem Buch für den Buddhismus?

Weil bisher keiner so recht verstanden hat, was ich damit will. Die Kamerateams, die meine Buddhasammlung gesehen haben, hielten das wohl für einen Pressegag.

Passen denn die Ideale des Buddhismus zu Ihrem Job? Dort heißt es doch, man solle sich von seinen Begierden lösen.

Das sollte man, ja. Aber nicht von heute auf morgen. Ich kann mich doch nicht schminken und eine tolle Villa besitzen und erfolgreich sein und all das genießen und dann, ganz plötzlich, das Interesse daran verlieren. So einfach ist das nicht. Das dauert. Man muss eben dran arbeiten.

Seit wann haben Sie überhaupt ein Empfinden fürs Religiöse?

Ich bin kein religiöser Mensch. Und der Buddhismus ist für mich keine Religion. Sondern eine Philosophie ohne Gott. Darin hat alles hat einen Sinn. Es werden einem keine Märchen aufgetischt, keine Versprechungen gemacht und keine Drohungen. Der Buddhismus ist ein Weg, für den man sich entscheiden kann oder nicht, man kann ihn abbrechen oder unterbrechen, es gibt keinen Zwang.

Eine Anleitung zur Lebenskunst?

Ja.

Was gehört noch zum Glück dazu?

Ein intaktes Privatleben.

Das haben Sie.

Ja.

Woran hapert es dann? Warum sind Sie nicht schon längst erleuchtet?

Weil ich ein zu westlicher Mensch bin. Und wahrscheinlich viel zu erfolgsorientiert. Ich müsste den Wunsch, erfolgreich zu sein, zurückstellen. Das tue ich nicht. Aber mir ist klar, dass das irgendwann sein muss.