Chile gespalten über historisches Abkommen

Chiles Militärs verpflichten sich, Informationen über die während der Diktatur Verschwundenen bereitzustellen. Die Quellen bleiben anonym

BERLIN taz ■ Chiles Militärs haben erstmals zugesichert, Informationen über die unter der Militärdiktatur verhafeteten und verschwundenen Personen beibringen zu wollen. Im Abschlussdokument des „Runden Tisches über Menschenrechte“, der unter dem Eindruck des in London verhafteten Ex-Diktators Augusto Pinochet im August 1999 von der damaligen chilenischen Regierung eingerichtet worden war, erklären sich Armee und Polizei bereit, alles zu unternehmen, um Informationen bereitzustellen, die dazu beitragen, die sterblichen Überreste der Verschwundenen zu finden oder ihr Schicksal in Erfahrung zu bringen.

Das Dokument, das am Dienstag in Santiago feierlich unterzeichnet wurde, schützt aber auch die Täter: Jeder, der Informationen über Verschwundene preisgebe, soll durch ein vom Parlament zu verabschiedendes Informantenschutzgesetz seine Anonymität wahren können, heißt es in dem Dokument.

Chiles sozialistischer Präsident Ricardo Lagos würdigte den Kompromiss, den die am Runden Tisch versammelten Menschenrechtsanwälte, Militärs, Regierungs- und Kirchenvertreter erzielt hatten. „Diese Übereinkunft erlaubt den festen Einsatz dafür, dass in Chile niemals wieder Oppositionelle umgebracht werden, dass niemals wieder Staatsbedienstete systematisch Folterungen oder andere Menschenrechtsverletzungen begehen und dass niemals wieder mit Waffengewalt nach der Macht gegriffen werden kann.“

Viviana Díaz, die Vorsitzende der Organisation von Angehörigen Verschwundener, lehnt das Abkommen ab: „Wir werden uns nicht anschließen, denn es kommt unserem Interesse nicht entgegen, die Wahrheit kennen zu lernen und die Urheber von Menschenrechtsvergehen strafrechtlich zu verfolgen.“ Das Abkommen sei ein „verdecktes Schlussstrichgesetz“.

Tatsächlich sollen nun gerade zu einem Zeitpunkt die Daten der Verschwundenen bekannt gemacht werden, da just wegen der fehlenden Daten Verfahren gegen chilenische Militärs in Gang kommen, einschließlich des Generals Augusto Pinochet. Denn die meisten der von den Angehörigen angestrengten Verfahren fallen deshalb nicht unter die Amnestiegesetze, die alle Straftraten von 1973 bis 1978 außer Strafe stellen, weil ob des Fehlens von Leichen das Verbrechen, nämlich Verschwindenlassen, bis heute andauert.

Die Militärs ihrerseits stellten klar, sie hätten sich für nichts zu entschuldigen. Auch wenn einige Individuen Schuld auf sich geladen hätten, sehe die Armee an sich keinen Anlass zur Selbstkritik, erklärte der General Patricio Rios. BERND PICKERT

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