341,2: nie wieder etwas falsch machen
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von EUGEN EGNER

Unter der Überschrift „Nie wieder etwas falsch machen“ versprach ein Zeitschrifteninserat „Hilfe für alle, die zu Fehlleistungen neigen“. Man brauche sich lediglich ein bestimmtes elektronisches Miniaturaggregat an den Kopf zu kleben und schon erhalte man in jeder schwierigen Situation ein Signal („ja“ bzw. „nein“), das einem helfe, die richtige Entscheidung zu treffen. 341,2 besorgte sich umgehend ein solches Gerät. Wie er das fertigbrachte, wird ebenso wenig jemals geklärt werden können wie die Frage, ob er dabei, wie zu erwarten, lediglich etwas falsch machte, oder ob außerdem ein technischer Defekt oder sogar Betrug vorlag, denn die Signale, die er fortan erhielt, waren tatsächlich gar nicht für ihn, sondern für einen ganz anderen Benutzer bestimmt. Davon ahnte er jedoch zu keiner Zeit etwas. So kam es schließlich auf den sonderbaren Umwegen der Nichtkontingenz dazu, dass 341,2 glaubte, er solle sich als Maler versuchen. „Ob ich das wohl könnte?“, fragte er, und das Signal lautete „ja“, da der, für den es gedacht war, gefragt hatte, ob gegen Ende alles aufhöre. Auch die Verkäuferin im Fachgeschäft für Künstlerbedarf bestärkte 341,2 darin. Sie umarmte und küsste ihn, während sie rief: „Es ist deine Leinwand, dein Pinsel und deine Farbe – du kannst überhaupt nichts falsch machen!“

Als er sein neues Werkzeug heimtrug, hielt ihn wieder einmal eine Polizeistreife an, weil seine Haare so beschissen aussahen. Was er denn da obendrein für ein Gerät am Kopf trage, wollten sie wissen und zertrampelten es vorsichtshalber. Dann mussten sie noch klären, ob die Malutensilien wohl Diebesgut waren. Nach längerem Verhör stellte sich heraus, dass 341,2 sie rechtmäßig erworben hatte, und man war bereit, ihn als Polizeizeichner einzustellen. Zunächst sollte er Phantombilder malen, doch dazu war er eindeutig zu blöd, und die Phantome sahen hinterher alle aus wie Nudeln mit Hut. Daraufhin verfügte der Polizeipräsident, 341,2 dürfe nur noch Steckbriefkonterfeis in Öl abmalen: „Da kann er nichts falsch machen.“ Der wahre Grund dafür war, dass der Polizeipräsident solche Ölgemälde sammelte. 341,2 erhielt sogleich seinen ersten Auftrag, ein Doppelporträt von zwei berühmten Volksfeinden. Sie hatten behauptet, den Ursprung des Konflikts zwischen den großen Weltreligionen entdeckt zu haben. Nach ihrer Darstellung ging alles darauf zurück, dass die ursprünglich auf Melasse geschriebenen Worte des Propheten an einer unleserlichen Stelle von den einen als „weißen Schnautebort“, von den anderen aber als „wußm Schnallenbort“ interpretiert worden waren, was zu den bis heute andauernden Religionskriegen geführt habe.

341,2 nahm sich vor, nur ja nichts falsch zu machen und versuchte nach Kräften, die ihm zur Verfügung gestellten Fotos der beiden Volksfeinde abzumalen, brachte aber nur degenerierte, von Demenz triefende Sudeleien zustande. Selbst seine Defigurationen wirkten deformiert. Infolgedessen wurde auch er zum Volksfeind erklärt, das Fahndungsfoto malte der Polizeipräsident sogar höchstpersönlich.