Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!

Ausschussmitglieder der Union trafen sich seit Monaten mit dem Exkanzler. Der will nichts Geheimes erfahren haben. Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre bricht die Vernehmung von Helmut Kohl unverrichteter Dinge ab

BERLIN taz ■ Nichts hat er gesagt, gar nichts. Weder zu geflossenen Spendengeldern noch zu Spendernamen, noch zu verschwundenen Akten oder Dateien. Nach viereinhalb Stunden jedoch platzte im Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre die Bombe. Dem als Zeugen geladenen Exkanzler Helmut Kohl hielt der Obmann Volker Neumann (SPD) vor, dass er sich seit Monaten mit CDU-Mitgliedern im Ausschuss beraten habe. Dies räumte Kohl auch ein.

Die Kalender von Kohls engster Mitarbeiterin Juliane Weber brachten es an den Tag: Ausschussmitglieder der Union haben regelmäßig vor der Vernehmung von wichtigen Zeugen den Exkanzler in seinem Büro aufgesucht. So steht in dem Kalender am 7. Juni 2000, wenige Tage vor der Vernehmung von Weber und dem ehemaligen Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch: „17 Uhr: MdB Schmidt, Untersuchungsausschuss.“ „MdB Schmidt“ ist der Bundestagsabgeordnete Andreas Schmidt, Ausschuss-CDU-Obmann.

Das Verhalten legt den Verdacht nahe, dass Kohl wie im Flick-Untersuchungsausschuss in den 80er-Jahren Strategien für den Ausschuss vorab besprochen hat. Kohl wies das zurück.

In einer Spontan-Pressekonferenz verkündete er dann seine Sicht der Dinge: „Ich brauch doch keine Strategie mit Kollegen zu besprechen. Ich war jahrelang Regierungschef und weiß mich in einem Untersuchungsausschuss zu verhalten.“ Es sei das Problem der Regierungskoalition, dass sie „kein Drehbuch“ habe. „Die wollen der Kohl-Regierung Bestechlichkeit nachweisen und haben nichts in der Tasche.“

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele gewann dem Debakel noch ein Gutes ab. Nach weiteren Zeugen wird der Ausschuss unter Umständen nun nicht mehr lange suchen müssen, denn „einige seiner Mitglieder kommen nun auch als Zeugen in Betracht“. Bereits nach den Enthüllungen des Sonderermittlers Burkhard Hirsch, der am Mittwoch bekannt gab, dass die CDU Daten und Akten en masse hat verschwinden lassen, hatte Ströbele staatsanwaltliche Untersuchungen gefordert.

Die Vernehmung Kohls wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt. Gestern wurde überlegt, ob die CDU-Mitglieder aus dem Ausschuss ausgeschlossen werden müssten. tst/kn

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