alle wege führen nach rom
: Theater aus Italien auf der Expo – und das Außenministerium mauert

Wir wissen von nichts

Maurizio Scaparro gehört nicht zu jenen Avantgarderegisseuren, die „King Lear“ auf die Bühne pinkeln lassen. Und Scaparro ist auch nicht beleidigt, wenn man ihn als Mann der alten Schule bezeichnet. Lyrisch und ironisch zugleich geht es zu, wenn der Römer inszeniert; mit seinem „Cyrano de Bergerac“ eroberte er so das französische, mit seinem auch verfilmten „Don Quichotte“ das spanische Publikum.

Quer durch die romanischen Länder wurde Scaparro so zu einem der Bigs des Theaters: In den Jahren 1979 – 1982 leitete er die Theaterbiennale in Venedig, 1983 berief Jack Lang ihn zum stellvertretenden Direktor des Theatre de l’Europe, und 1992 wurde er an der Seite von Plácido Domingo Asesor teatral der Expo Sevilla. In Rom Chef des Teatro Eliseo, verantwortet Scaparro zurzeit das Großprojekt „Le théâtre des Italiens“ in Paris; und am Théâtre Des Champs Elysées gehen unter seiner Leitung gut 20 Inszenierungen über die Bühne.

Im Juli nun kommt der Vielreiser samt seiner Schauspieltruppe nach Hannover, als künstlerischer Leiter des italienischen Expo-Pavillons. Mag sein, dass es kein Zufall ist, wenn es in den dort von Scaparro inszenierten Stücken um Menschen geht, die aus dem Koffer leben. Mehr noch: In „Pulcinella“, der ersten in Hannover zur Aufführung kommenden Inszenierung, stehen Theaterleute im Mittelpunkt, die ihr Glück im Ausland suchen. Das Stück aus der Feder des Neorealisten Roberto Rossellini fand bei seiner Erstaufführung 1987 in Italien begeisterte Aufnahme: Temporeich wird die melancholische Geschichte einer Gruppe von Pulcinellas erzählt, die sich von Neapel nach Paris aufmachen, voller Hoffnung, dort ihren Durchbruch zu schaffen, in der Stadt Molières, am Broadway des 17. Jahrhunderts. Um eine mehr oder minder gescheiterte Glückssuche in der Ferne geht es auch in der zweiten Inszenierung, die Maurizio Scaparro nach Hannover bringt: einer Adaption von Franz Kafkas „Amerika“.

Es ist also nichts Geheimnisvolles um den künstlerischen Leiter des italienischen Expo-Pavillons und sein Programm. Doch Beamte des Außenministeriums sind es gewohnt, die über den Schreibtisch wandernden Vorgänge unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit abzuwickeln. Schließlich geht es da um heikle diplomatische Vorgänge. Als besonders heikel – und deshalb besonderer Geheimhaltung bedürftig – gilt aber dieser Tage ausgerechnet der Expo-Beitrag des Landes. Zwar leistet sich das Ministerium einen Sprecher extra fürs Expo-Programm, doch der lässt bündig wissen: „Wir wissen von nichts!“ Schuld seien die im April abgehaltenen Regionalwahlen; mit den neuen Regionspräsidenten habe man halt noch kein Programm abstimmen können. Erst nach langem Insistieren kommt dann das Eingeständnis: Nun ja, ein Programmentwurf liege immerhin schon vor. Streng vertraulich selbstverständlich. Daten? Das geht nun wirklich zu weit. Aber Scaparros „Pulcinella“ kommt, und dann eine wahre Perle: „Pinocchio“, als Hauptdarsteller Angelo Branduardi und Gianni Rodari. Rodari, der Kinderbuchautor? Ist der nicht schon 1980 gestorben? Ach so, dann eben nur mit Branduardi. Kann es nicht sein, dass Branduardi nur die Musik geschrieben hat? Auch möglich. Sei’s drum, auch Dario Fo kommt mit einem Stück. Mit welchem? Weiß ich doch nicht, die Stücke von Fo haben keine Titel, hier steht nur „Stück von Dario Fo“, irgendwas mit Pasolini. Und dann kommen die Arena von Verona, das Verdi-Theater aus Parma, und schließlich gibt’s Goethes „Reise nach Italien“. Eine letzte Frage, Herr Pressesprecher: mit Goethe als Hauptdarsteller?

MARINA COLLACI