Begraben unter Manilas Müll

In der philippinischen Hauptstadt verschüttet ein abrutschender Müllberg seine Nachbarn, die von dem täglich angelieferten Müll der Millionenstadt leben

MANILA taz ■ Die Armensiedlung „Gelobtes Land“ in Manila hat sich gestern morgen für ihre Bewohner in eine Hölle verwandelt, als ein benachbarter Müllberg ins Rutschen kam und bis zu 300 Hütten unter sich begrub. Mindestens 31 Menschen wurden nach offiziellen Angaben getötet. Zahlreiche Personen wurden gestern noch vermisst. Unter den Toten sind viele Kinder.

Tagelange Regenfälle hatten den völlig aufgeweichten Müllberg im Distrikt Payatas am Rande der philippinischen Hauptstadt in eine Schlammlawine verwandelt. Wahrscheinlich durch ein beschädigte Stromleitung geriet die Müllhalde anschließend in Brand. Rauch und Feuern erschwerten die Rettungsarbeiten.

Der Müllberg liegt in der Mitte einer großen Squattersiedlung, wo nach Angaben des lokalen Bürgermeisters Mel Mathay 60.000 Menschen leben. Viele Bewohner verdienen sich ihren Lebensunterhalt durch das Sammeln und Sortieren von wiederverwertbarem Plastik, Glas, Papier und Metall.

Auf dem Müllberg von Payatas landet ein Viertel der täglichen Abfälle der acht Millionen Einwohner zählenden Metropole Manila. Sobald ein Müllwagen ankommt, wird er von Menschen umringt, die nach Verwertbarem suchen und selbst in ein ausgeklügeltes System der Wiederverwertung eingebunden sind.

Die meisten Bewohner der Siedlung „Gelobtes Land“ stammen von abgelegenen Inseln oder aus armen Provinzen. Sie erhofften sich vom Leben in der reichen Hauptstadt eine Teilhabe am Wohlstand.

Die Behörden dulden illegale Slumsiedlungen wie „Gelobtes Land“, weil die Mittel für andere Wohnungen fehlen. Sich gegenseitig blockierende Interessen, Korruption und bürokratische Hindernisse führen dazu, dass arme Menschen kaum andere Optionen als ein Leben in solchen Slums haben. Da sich die Slumbewohner inzwischen oft organisieren und so politischen Einfluss erringen, können sie nicht einfach vertrieben werden. Anderseits ist ihre Macht zu gering, um für menschenwürdige Unterkünfte in ihren Viertel zu sorgen.

In den 80er-Jahren errang Manilas größte Mülldeponie „Smokey Mountain“ im Stadtteil Tondo traurige Berühmtheit, weil sie wie kein zweiter Ort die Armut des Landes so drastisch symbolisierte. Mitte der 90er-Jahre wurde „Smokey Mountain“ geschlossen. Doch auch das dortige Wohnungsbauprogramm wird inzwischen von einem Korruptionsskandal erschüttert.

HUGH WILLIAMSON