Denkmalwürdige 50er Jahre

Vom Philturm bis zum Viktoria-Haus: Wirtschaftswunder-Architektur soll unter Schutz gestellt werden. Auch wenn sie sich heutigem Geschmack verschließt.  ■ Von Gernot Knödler

Über seine Schönheit lässt sich streiten, und so manch einer, der täglich dort ein- und ausgeht, käme wohl nie auf den Gedanken, dass er als Denkmal geschützt werden sollte: der Philturm, das Hochhaus der Philosophisch-Theologischen Fakultät der Universität. Ein wenig schäbig, wie er da neben der zentralen Wiese des Campus steht und sich gegenüber einem Gebäude behaupten muss, das zwar auch schon etwas verblichen, aber dafür unnachahmlich leicht wirkt – dem Auditorium Maximum. Mindes-tens die Kombination von beiden Gebäuden mache auch den Philturm zum Denkmal, findet Eckhart Hannmann, der Leiter des Denkmalschutzamtes. Zusammen mit Kultursenatorin Christina Weiss hat er am Donnerstag versucht, das Bewusstsein dafür zu wecken, dass Bauten aus den 50er Jahren Denkmale sein sollen.

Hamburgs DenkmalschützerInnen arbeiten bereits seit den 80er Jahren daran, dem architektonischen Neuanfang nach der Nazi-Zeit zu seinem Recht zu verhelfen. Die Staatsoper steht seit 1981 auf der Denkmalliste, der Alsterpavillon seit 1994 und das Springer-Hochhaus seit 1996. Insgesamt elf 50er-Jahre-Bauten sind darin aufgenommen – bei 1200 geschützten Bauten in Hamburg.

Gebäude von nationalem Rang wie die Großmarkthalle mit ihrem wellenförmigen Dach stehen dagegen noch nicht unter Schutz. Bei anderen läuft das Unterschutzstellungs-Verfahren, etwa beim Unilever–Haus, dem Kaispeicher A, der Hammer Kirche und der Siedlung „Carl-Jacob-Straße“ in Klein Flottbek. Am weitesten gediehen sei das Verfahren bei den Grindel-Hochhäusern, sagte Hannmann. Die fünf Objekte, die der oberste Denkmalpfleger und seine Chefin jetzt vorstellten, sollen ebenfalls in die Denkmalliste aufgenommen werden. An ihnen lässt sich beispielhaft zeigen, was die Architektur der Nachkriegszeit ausmacht.

Da ist die Grundschule hinter der Katharinenkirche am Hafen: Zwei mehrstöckige Gebäude mit Klassenzimmern und eine Turnhalle, allesamt aus Backstein und durch überdachte, offene Gänge verbunden. Die Südfassade des größten Baus ist mit einem metertiefen, groben Gitter überzogen – ein Kas-ten vor jedem Fenster, der durch parallele Lamellen an der Oberseite Schutz vor der Sonne bietet.

Die Konstruktion macht augenfällig, warum es mitunter schwierig ist, solche Gebäude zu erhalten: Errichtet zu einer Zeit, als das Öl billig war, machte sich beim Bau kein Mensch Gedanken über den Wärmeschutz. Eine aufwendige Fassade wie bei der Schule an der Katharinen-Kirche macht eine nachträgliche Isolierung schwierig.

Das gilt auch für die Glaswand, die das Treppenhaus am äußeren Ende eines Gebäudeflügels transparent macht. Sie ergänzt das zentrale, lichte Treppenhaus im Inneren mit seinem typisch asymmetrisch abgerundeten Grundriss.

Geschmückt wurde der Bau mit einfachsten Mitteln, die sich aus dem Material ergaben. So ist zum Beispiel an den Hausecken jeder zweite Ziegel schräg vermauert worden, so dass ein Muster entstand, und an einer Westfassade wechseln Betonbalken mit Streifen von Mauerwerk ab.

Dass auch traditionelle oder restaurative Architektur in den 50er Jahren gebaut wurde, zeigt der „Fölsch-Block“ gegenüber des Rathauses. Hans Riechert verkleidete seinen Stahlbetonbau mit Muschelkalk-Platten. Indem er die hohen Fenster zu Dreiergruppen zusammenfasste, schuf er eine regelmäßige, klassische Fassade, die an die Bauten der Nazi-Zeit erinnert. Der Laubengang im Erdgeschoss, hinter dem die Schaufenster liegen, ist ein typisches Gestaltungselement der 50er Jahre.

Das „Victoria-Haus“ am Jungfernstieg beschirmt die KonsumentInnen auf gleiche Weise, aber damit hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Georg Wellhausen kehrte die konstruktiven Elemente des Geschäftshauses nach außen: Die tragenden Säulen stehen vor der Fassade, jeweils in den Winkeln, die die nach innen laufenden und wieder vorspringenden Fassadenstücke bilden. Die Decken stehen über. Das Ganze macht einen dynamischen, ungeheuer modernen Eindruck.

Zurück zum Campus. Das Audimax von Bernhard Hermkes könnte als der programmatische Bau der 50er gelten. Schlichte, helle Räume sollten von der neuen Zeit von Fortschritt, Freiheit und Demokratie künden. Eine Glasfassade legt das Innenleben des Vorlesungsgebäudes offen: Sie zeigt den Verlauf der Treppen und wie ein Vortragssaal im Gebäude hängt. Das maximal 15 Zentimeter dicke, flach gewölbte Spannbeton-Dach – eine herausragende Ingenieursleistung jener Zeit – ruht auf schmalen, vor die Fassade gestellten Stützen, so dass es zu schweben scheint.

Ein wenig klotzig steht der Philturm daneben, der wie die Schule an der Katharinen-Kirche vom damaligen Ersten Baudirektor Paul Seitz geplant wurde. Damit das Gebäude leicht wirke, setzte Seitz es auf Sichtbeton-Stelzen, von denen viele auch im Inneren stehen. Sie zeigen kaum rechte Winkel, ebenso wie die Fassaden der Türme.

Jene sind mit kleinen gelben Klinkern verkleidet, die heute abzufallen drohen und nicht nachgekauft werden können. Nachdem die Fassade des Verbindungsbaus bereits massiv verändert worden ist, droht daher ähnliches der Fassade des großen Turms. Nicht zuletzt weil er als Orientierungszeichen eine städtebauliche Bedeutung hat, soll er trotzdem erhalten werden.