Autokratische Wahl

Vor den Parlamentswahlen in Weißrussland bemüht sich die OSZE um minimale demokratische Standards

BERLIN taz ■ Nun ist es amtlich: Am 15. Oktober wählen die Weißrussen ein neues Parlament. Das gab Staatschef Alexander Lukaschenko am Donnerstagabend bekannt. Würde nach dem derzeit geltenden und unlängst verabschiedeten Wahlgesetz abgestimmt, bräuchten sich die Menschen gar nicht mehr in die Wahllokale zu bemühen. Denn das Ergebnis stünde schon fest. Genau wie in der derzeitigen Kammer, in der seit dem Referendum vom November 1996 ausschließlich vom Präsidenten handverlesene Abgeordnete sitzen, wäre auch im neuen Parlament den Lukaschenko-Getreuen eine satte Mehrheit sicher.

Dieser Umstand macht der internationalen Gemeinschaft derzeit zu schaffen. Seit Monaten bemüht sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), zuletzt als Troika mit Unterstützung des Europarates und des Europäischen Parlaments, darum, Vertreter der Opposition und der Regierung an einen Tisch zu bringen und im Wahlgesetz zumindest minimale demokratische Standards zu verankern.

Doch bislang beißen die westlichen Vermittler bei dem autokratischen Präsidenten auf Granit. So sind in den Wahlkommissionen die Oppositionskräfte nicht vertreten, der Zugang zu den elektronischen Medien ist ihnen verwehrt. Zudem wird Personen, die in der Vegangenheit mit den staatlichen Behörden in Konflikt geraten sind, automatisch das passive Wahlrecht entzogen.

Besonders die Frage, ob eine derartige Wahlfarce noch durch die Anwesenheit internationaler Beobachter legitimiert werden sollte, bereitet der OSZE derzeit Kopfzerbrechen. Bislang drückt sich die Organisation um diese Entscheidung herum.

In ihrer Resolution, die die parlamentarische Versammlung der OSZE Anfang der Woche in Bukarest verabschiedete, wird lediglich, neben einem freien Zugang aller politischen Parteien zu den Medien, eine Transparenz des Wahlprozesses angemahnt, mit einem gesicherten Status für Beobachter sowie der Präsenz von Vertretern oppositioneller Parteien und regierungsunabhängiger Organisationen in den Wahlkommissionen. Weiter verlangt die OSZE, die Funktionen des Parlaments zu stärken.

Für die Opposition steht bereits fest, dass der Dialog zwischen ihren Vertretern und der Regierung gescheitert ist. Sie hat zum Boykott der Wahlen aufgerufen. „Bei uns treffen Kranke die Entscheidungen, die Ärzte werden dabei übergangen. Jetzt soll sich die Opposition plötzlich als Therapeut beteiligen. Wir werden an dieser Farce nicht teilnehmen“, sagt Weißrusslands ehemaliger Präsident und jetziger Vorsitzende der Sozialdemokratischen Bewegung, Stanislaw Schuschkewitsch.

Sollte die Opposition bei ihrem Boykott bleiben, würde sie eine Chance verspielen, glauben viele Beobachter. Eine Nichtteilnahme an den Wahlen würde wohl auch bei der Bevölkerung auf Unverständnis stoßen. Nach einer Umfrage, die das unabhängige Institut Novak im Auftrag der IREX Pro Media Belarus kürzlich durchführte, sprachen sich immerhin 89 Prozent der Befragten für faire Wahlen aus, mit der Möglichkeit, zwischen Alternativen zu wählen. Gleichzeitig würde die Mehrheit bei Präsidentenwahlen für Lukaschenko, den einzig landesweit bekannten Politiker, stimmen. Zur Begründung gaben die Befragten an, der Staatschef „sei um das Wohl der Menschen besorgt.

BARBARA OERTEL