Wenn der Stadtplan klingelt

In Berlin geht heute erstmals in Deutschland ein multimedialer Stadtplan und Reiseführer ins mobile Netz. Künftig kann man auf dem Handy die Speisekarte der nächstgelegenen Sushi-Bar ablesen

von RICHARD ROTHER

Nehmen wir an, Sie stehen vor der Jüdischen Synagoge in der Oranienburger Straße und suchen eine Location, von der Sie gelesen haben, dass sie in sei: zum Beispiel die Hackeschen Höfe. Um Sie herum nur Touristen und jeder, den Sie um Rat fragen, stammelt verschämt: I don’t know. Kein Problem – Sie gehen doch mit der Zeit und ziehen Ihren kleinen Freund, den Palm-Computer, jenes Gerät im Taschenbuchformat, zu Rate. Oder Ihr Handy – mit dem WAP-Internet-Zugang, versteht sich.

Derart ausgestattet, brauchen Sie nur noch einen quick click, und in Berlin wissen Sie fortan immer, wo Sie sind und wo Sie Ihr Geld ausgeben können. Heute startet Citikey, ein schwedischer Entwickler und Anbieter von City-services für mobile Endgeräte, sein erstes deutsches Angebot in Berlin. „Berlin ist schließlich die Haupststadt“, begründet Firmensprecherin Almut Burkhardt den Service-Start-up in Deutschland – nach Stockholm, London und Paris. Das Angebot: Für jede dieser Städte hat die Redaktion Adressen gesammelt, sie kommentiert und plattformspezifisch aufbereitet für das WAP-Handy oder den Handheld-Computer.

In Berlin lotst Citikey zu derzeit 2.500 Adressen – darunter Restaurants, Hotels, Geschäfte, Kulturadressen. Der mobile Reiseführer liefert nicht nur Adresse und Beschreibungen der Orte, sondern auch die aktuellen Angebote.

Das Besondere an diesem Projekt: standortbezogene Informationen. Der Nutzer – dabei ist sowohl an Geschäftsreisende mit wenig Zeit und viel Geld gedacht als auch an Einheimische, kann alle Infos vor Ort abrufen. Wer es also beispielsweise in die Hackeschen Höfe geschafft hat und irgendeine Sushi-Bar in der Nähe sucht, dem zeigt der kleine Compi den Weg ums Eck an der Amüsiermeile der neuen Mitte. Auf dem Palm-Computer leuchten auf dem Stadtplan der aktuelle Standort und die gesuchte Adresse auf.

Ab heute haben deshalb nicht nur Berliner Autofahrer, sondern auch Fußgänger ein Navigationssystem – wenn alles gut geht. Bei einer Citikey-Probe soll es in der vergangenen Woche nämlich zu amüsanten Verwechslungen gekommen sein: Wer am virtuellen Ku’damm stand, fand sich in Prenzlauer Berg wieder, und wer eine Bibliothek suchte, dem wies Citikey den kürzesten Weg zur City-Toilette.

Marketing-Chef Basien Schupp bleibt gelassen. Größere Probleme seien ihm nicht bekannt, so Schupp gestern. „Kleinere Pannen gibt es immer wieder.“ Zudem hätten die Launches der letzten Zeit hervorragend funktioniert.

Schwarze Zahlen schreibt die 1998 gegründete schwedische Start-up-Firma allerdings nicht. Dies sei in 2 bis 5 Jahren zu erwarten, sagt Schupp. Der Mobile-Internet-Markt befinde sich noch in den Anfängen. Da müsse man sich positionieren. Nach Berlin soll es Citikey noch in diesem Jahr auch in München, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt/Main und Stuttgart in Deutschland geben. Schupp: „Das kostet Geld.“ Rund 11,5 Millionen US-Dollar haben 3 Venture-Capital-Firmen bereits zur Verfügung gestellt. Zuvor hatten zwei schwedische Privatsponsoren, in der Branche business angels genannt, dem Firmengründer Ziad Ismail unter die Arme gegriffen.

Ob das Geld wieder hereinkommt, könnte allerdings – wie bei vielen Internet-Firmen – fraglich sein. Im Palm-Computer-Bereich hat Citikey europaweit erst 24.000 Kunden – und für die ist der Service kostenlos. Einnahmen sind allerdings von den „Inserenten“ des mobilen Gelbe-Seiten-Guides zu erwarten. Standardeinträge sind umsonst, kostenpflichtig werden Zusatzinfos. Wenn beispielsweise ein Restaurant das Menü abdruckt oder den Spezialitätenkoch per Foto präsentiert. Möglich sind auch Beteiligungen an Ticket-Verkaufsprovisionen, wenn ein Citikey-Nutzer über den Service-Dienst Karten ordert.

Langfristig gesehen ist aber das Wissen über die (Konsum-) Gewohnheiten der Kunden das dickste Kapital von Citikey. Die Firmen und Veranstalter könnten – kostenpflichtig – Citikey als Plattform benutzen, um an potenzielle Kunden zu kommen. Schupp nennt ein Beispiel. Wer sich als Theaterfreund geoutet hat, könnte eines schönen Nachmittags eine Message bekommen, dass es am gleichen Abend noch Karten für diese oder jene Vorstellung gäbe. Mit beispielsweise 50 Prozent Rabatt. „Davon haben alle etwas.“

Umso gläserner der Kunde, desto direkter – und damit lukrativer – das Direktmarketing. Marketing-Chef Schupp: „Das geht aber nur, wenn der Kunde will.“