Goethe und die Hottentotten

Ernst Uehlis Rassenlehre in „Atlantis“ und die Anthroposophie des Rudolf Steiner

Ernst Uehli hat mit seinem anthroposophische Lehrbuch „Atlantis und die Rätsel der Eiszeitkunst“ den Streit um die Lehre Rudolf Steiners neu entfacht. Das Buch, in Waldorfschulen teilweise noch in Verwendung, wird nach Informationen der taz bald auf den Index „jugendgefährdender Schriften“ gesetzt. Uehli, ein wichtiger Mitarbeiter Steiners, wird gern als der erste Waldorflehrer bezeichnet.

In „Atlantis“ geht Uehli (1875 bis 1959) von einer hierarchischen Ordnung der menschlichen „Rassen“ aus. „Die Rassenkurve nimmt ihren Ausgangspunkt in Afrika bei der kindlichen schwarzen Rasse, [...] biegt nach Europa um, [...] dann endigt die Kurve bei der roten Rasse, welche der Vergreisung anheimfällt.“ Außer der weißen Rasse sei keine andere in der Lage „zur höherer, fortschreitender Entwicklung“. „Die arische Rasse und mit ihr das Germanentum ist aus geistigen Grundlagen heraus geboren worden“, schrieb Uehli 1936. „Allein in der welthistorischen Wartezeit des Vor-Germanentums [...] liegt das Geheimnis ihrer Entwicklung und der Aufgabe des Germanentums in der Kulturentwicklung Europas.“

Solcherlei Rassismus ist nicht nur eine zufällige Entgleisung, sondern zentraler Bestandteil der Anthroposophie Rudolf Steiners. Wie andere Ideologien des 19./20. Jahrhunderts geht sie davon aus, dass sich die menschlichen „Rassen“ von einer niedrigen Stufe immer höher entwickeln – mit der arischen Rasse als Krönung. Textprobe: „Soll Goethe die gleichen Bedingungen haben wie ein beliebiger Hottentotte? So wenig wie ein Fisch die gleichen Voraussetzungen hat, wie ein Affe, so wenig hat der Goethesche Geist die gleichen Vorbedingungen wie der des Wilden.“

Rudolf Steiner (1861 bis 1925), der in Wien Mathematik und Naturwissenschaften studierte, lehrte von 1899 bis 1905 an der Arbeiter-Bildungsschule. Dort entwickelte er sein „anthroposophisches Weltbild“. Zum Zentrum der Anthroposophen machte er 1914 das „Goetheaneum“ in Dornach bei Basel. Steiner nimmt J. W. Goethe als Vordenker seiner Theorien in Anspruch. 1919 eröffnet Steiner die erste „Freie Waldorfschule“ in Stuttgart. Namenspatron sind Steiners Sponsoren von der Zigarettenfirma Waldorf-Astoria.

Steiner hat zu nahezu allen Lebensbereichen Stellung genommen. Am bleibendsten war sein Einfluss neben der Pädagogik auf die biologisch-dynamische Landwirtschaft und die Medizin.URSULA TRÜPER