Daumenschrauben für die Charité

Der Konfrontationskurs von Charité-Verwaltungschef Motzkus rächt sich. Die Krankenkassen machen dem Uniklinikum jetzt Druck: Für 14 Abteilungen wird ab kommender Woche eine befristete Übernahme der Behandlungskosten eingeführt

von DOROTHEE WINDEN

Nahezu alle Krankenkassen werden die Behandlungskosten an 14 Abteilungen des Uniklinikums Charité ab nächster Woche nur noch befristet übernehmen. Die Kassen wollen die Charité damit zwingen, angebliche Fehlbelegung und lange Liegezeiten zu vermeiden. Zu den 14 Abteilungen, die „auffällig“ geworden seien, zählen die Kardiologie, die Gynäkologie, die Kinderchirurgie und die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Die Dauer der Befristung wird von Station zu Station unterschiedlich sein. Für die Patienten sollen keine Nachteile entstehen, versicherte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Angestellten-Krankenkassen, Jürgen Hardt. „Der Patient muss weder einen Abruch seiner Behandlung fürchten noch eine private Zahlung.“ Die Charité muss jetzt genauer nachweisen, warum ein Patient länger im der Klinik bleiben muss. Das bedeutet zusätzliche Bürokratie.

AOK und die BKK des Landes haben schon seit einigen Monaten die Kostenübernahme für ihre Patienten befristet. Die AOK hat Rechnungen in Höhe von 60 Millionen Mark gekürzt oder nicht bezahlt, bei der BKK geht es um 1,8 Millionen Mark. Die Charité klagt dagegen. In der vergangenen Woche hatte das Sozialgericht in zehn Einzelfällen den Kassen Recht gegeben. Die Charité will in Berufung gehen.

Nach dem Piloturteil hatte sich die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände darauf verständigt, nun ebenfalls zur Kostenbefristung zu greifen. Der Arbeitsgemeinschaft gehören unter anderem AOK, BKK, Barmer, DAK und die Techniker-Krankenkasse an.

Mit der Befristung der Kostenübernahme aller Kassen spitzt sich die Auseinandersetzung zwischen Charité und Krankenkassen weiter zu. Die Kassen beklagen bereits seit Jahren, dass die Klinikkosten in Berlin zu hoch sind. Das belastet den Etat der Kassen erheblich. Bereits in der Vergangenheit hatten die Kassen befristete Kostenübernahmen gegenüber einzelnen Häusern verhängt, ein so massives Vorgehen wie bei der Charité hat es aber noch nicht gegeben.

„Wir werden von den Kassen erpresst“, erklärte gestern Charité-Sprecherin Kerstin Ullrich. Sie wies die Vorwürfe einer zu hohen Verweildauer der Patienten zurück. Das Vorgehen der Kassen führe dazu, dass bei der Charité Schulden entstünden. Ein internes Papier der Klinikleitung hatte vor kurzem die Finanzrisiken des Hauses auf eine Milliarde Mark in den nächsten sechs Jahren beziffert. Gesundheitsexperten vermuten allerdings, dass Verwaltungschef Bernhard Motzkus mit solchen Horrorszenarien mehr Geld für sein Haus herausholen wolle.

Kein Geld für Sanierung

Ein weiterer herber Rückschlag für die Charité sind die vom Senat gestrichenen 400 Millionen Mark für die Sanierung des Bettenhochhauses. Sie tauchen im Haushalt für das kommende Jahr nicht auf. Die Gelder waren bereits bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU im vergangenen Dezember gestrichen worden, obwohl der Charité 1994 im Zuge der Fusion der Unikliniken insgesamt 800 Millionen Mark für die Sanierung der Klinik zugesagt worden waren. Dies hatte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) versprochen, auch ein Beschluss des Parlaments liegt vor. An der Charité herrscht daher Unverständnis und tiefe Enttäuschung, dass auf Zusagen der Politik kein Verlass ist.

„Der Ruf des Wissenschaftsstandortes Berlin ist massiv beschädigt“, erklärte gestern Pathologieprofessor Manfred Dietel. Er hat noch Glück, denn die Pathologie kann als einziger Bereich noch saniert werden. Für alle anderen Baumaßnahmen sollen erst ab 2004 wieder Haushaltsgelder fließen. Die Sanierung des Campus Mitte wird damit auf halber Strecke auf Eis gelegt. Der grüne Abgeordnete Bernd Köppl befürchtet gar: „Jetzt beginnt die Debatte, ob das Bettenhaus noch zu halten ist.“