Notorischer Nichtrückkehrer

Stefan Effenberg lässt sich wieder mal tagelang bitten, nur um dem DFB erneut abzusagen

Immer wenn es dem deutschen Fußball schlecht geht, also sehr oft, kommt der Ruf nach Stefan Effenberg. Der vermeintlich beste deutsche Ballbeweger möge doch bitte, bitte zurückkehren in die Nationalelf. Als Hoffnungsträger, Leitwolf, Führungsspieler, Ruderrumreißer, Zukunftsgestalter. Kurz: als Retter.

Eine gute Eigenschaft hat Stefan Effenberg seit 1994 fast immer kultiviert: Er erhörte das Flehen nicht. Auch diesmal kokettierte er tagelang, ließ fürsprechen und warnen, sich aber nicht zur Rückkehr herab. Gestern gab er kund: „Die nächsten Länderspiele finden hundertprozentig ohne mich statt.“ Ein Comeback wäre „nicht sinnvoll“.

Eine Ausnahme gab es: Im Sommer 1998 war Effe für zwei Testspiele und 18 Tage zurückgekehrt, spielte (absichtlich?) lustlos, und Berti Vogts, der ihn bei der WM 1994 wegen Stinkefinger rausgeworfen hatte, trat entnervt zurück. Mission erfüllt? Er habe sich „nicht wohl gefühlt“, Offizielle spielten „ein falsches Spiel“, er lasse sich nicht zum Sündenbock machen. „Ich nehme mir die Freiheit.“

Fußballerisch verkörpert Effenberg theoretisch den idealen Mittelfeldspieler. Einer, der als kämpfende Diva mit feuerrotem Kopf das gegnerische Spiel zu zerstören versteht und gleichzeitig mit gelegentlich brillanten, im Jargon, tödlichen Pässen glänzt. Indes ist der „Tiger“ im Medienfußball stets darauf bedacht, persönlich zu glänzen: Wo die Kameras nicht auf ihn gezoomt sind, fällt seine lässige Passivität und gelegentliche Teilnahmslosigkeit auf.

Stefan Effenberg, immer ein Kaugummi im Mund, ist keiner, den man mag. Selbst Bayern-Fans feiern ihn höchstens ob seiner fußballerischen Highlights. Als der vorsätzliche Kotzbrocken zuletzt nach einer Niederlage mal wieder öffentlich die Zuschauer abwatschte („die haben kein Recht, uns zu kritisieren“), wurde er auf der Fan-Homepage als „Anführer der Arroganz“ bezeichnet. Eine für Effenberg ehrende Pole-Position.

Alle Charakterisierungen kreisen einheitlich um die Begriffe arrogant, obszön, aufbrausend, kindisch-trotzig. Die Reizfigur Effenberg ist nicht mal bei ihren Scherzen witzig, ob er bei der Meisterfeier Christoph Daum verhöhnt oder in zynischen Werbespots während der EM die Nationalelf veralbert. Volksnähe ist ihm Anbiederei, Fußball ist seine Geldmaschine: „Was habe ich davon, wenn ich an meinem Totenbett sagen kann: Ich habe 80 Länderspiele gemacht? Kann ich mir dafür etwas kaufen?“ Für die 35 Spiele, die er hat, erst recht nicht. Die nächsten Rufe werden nach den nächsten Misserfolgen kommen. Darauf darf sich Effe freuen. BERND MÜLLENDER