Muskelspiele in Montenegro

Die jüngsten Festnahmen von Ausländern in Montenegro durch die jugoslawische Polizei sollen beweisen, dass Belgrad die aufmüpfige Teilrepublik noch fest im Griff hat. Eine neue diplomatische Krise nimmt Milošević dabei billigend in Kauf

Gerade in Montenegro löst der jüngste Vorfall Bestürzung und Angst aus

von BARBARA OERTEL

Das jugoslawische Milošević-Regime ist mit dem Kampf gegen einheimische Oppositionelle und Journalisten offenbar noch nicht ausgelastet. Seit neuestem scheinen Ausländer zu den bevorzugten Staatsfeinden Belgrads avanciert zu sein. In der Nacht zum Mittwoch erwischte es zwei Briten und zwei Kanadier, die die jugoslawische Polizei an der Grenze zwischen dem Kosovo und Montenegro festnahm.

In einer Stellungsnahme der Armee heißt es, die Männer hätten Sprengsätze und militärische Ausrüstungsgegenstände bei sich gehabt. „Es liegen Hinweise darauf vor, dass die Verhafteten Spezialeinheiten der montenegrinischen Polizei ausgebildet haben und Spezialisten für Häusersprengungen und Terroranschläge sind“, hieß es weiter. Die jugoslawische Polizei verfüge über genügend Material, um die wahren Absichten und Ziele der Verhafteten zu beweisen. Wie zur Untermauerung dieser Behauptungen präsentierte das staatliche Fernsehen ein Gruppenbild der vier Männer an einem Tisch, auf dem ausländisches Geld, Messer, Drahtrollen und eine Landkarte des Kosovo ausgebreitet waren.

Bei den zwei verhafteten Briten handelt es sich um Adrian Prangnell und John Yore. Nach Aussagen der Specherin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Melissa Flemming, sind sie Ausbilder der unter OSZE-Ägide stehenden Polizeiakademie im Kosovo. Die beiden Kanadier Shaun Going und sein Neffe Liam Hall sollen im Kosovo bei der privaten Baufirma „Meridian Resources“ unter Vertrag sein. Flemming bezeichnete die von den jugoslawischen Behörden erhobenen Vorwürfe als absurd. Die vier Männer seien nicht bewaffnet und nach einem Kurzbesuch Montenegros auf der Rückfahrt in das Kosovo gewesen.

Auch Großbritannien und Kanada übten sich nicht gerade in diplomatischer Zurückhaltung. „Es ist nicht zu akzeptieren, dass britische Staatsbürger unter der Anklage von Terrorismus und Spionnage in den Medien vorgeführt werden“, erklärte das britische Außenministerium. „Diese Polizisten spielen eine wichtige Rolle bei der Friedenserhaltung im Kosovo, eine Rolle, die von den Vereinten Nationen gebilligt wurde. Bisher wurden keine Beweise beigebracht, um die Anschuldigungen zu stützen.“ Die Sprecherin des kanadischen Außenministeriums, Marie-Christine Lilkoff, nannte die Verhaftungen Teil einer sich zuspitzenden Kampagne der Regierung in Belgrad gegen Ausländer. Anklagen wegen Spionage und Terrorismus seien schon zur Gewohnheit geworden und müssten in hohem Maße skeptisch betrachtet werden.

Bis gestern noch hatten kanadische und britische Stellen in Belgrad keine näheren Informationen von offizieller Seite bezüglich der Verhafteten erhalten, noch war ihnen eine Kontaktaufnahme zu ihren Landsleuten ermöglicht worden. Das Gleiche gilt auch für die vier Niederländer, deren Verhaftung der jugoslawische Informationsminister am Montag bekannt gegeben hatte. Ihnen wird vorgeworfen, die Entführung und Ermordung des jugoslawischen Präsidenten Milošević geplant zu haben.

Besonders in der Teilrepublik Montenegro löst der jüngste Vorfall Bestürzung und Angst aus. Beobachter werten die Verhaftungen als Vorwand, um eine Krise zu provozieren, die dann als Begründung dafür herhalten müsste, Montenegro unter Belgrader Kontrolle zu bekommen. „Wie anders“, sagte ein Vertreter der Regierungspartei, „sollte man den Versuch geballter Lügen und vulgärer Erfindungen deuten als die Schaffung eines Ausgangspunktes, um Montenegro zu eliminieren und seine demokratische Regierung hinwegzufegen?“

An dieser Einschätzung könnte etwas dran sein, zumal Montenegro, anders als die serbische Opposition, derzeit noch an einem Boykott der für den 24. September angesetzten jugoslawischen Wahlen festhält.