Festnahme nach Explosion

Nach einem Bombenanschlag auf einen türkischen Imbiss in Eisenach nimmt die Polizei einen Verdächtigten fest – der 19-Jährige ist Vizechef der Thüringer NPD-Jugendorganisation

BERLIN taz ■ In der Nacht zum Donnerstag detonierte in Eisenach ein Sprengsatz. Er war an der Eingangstür des türkischen Imbisses „Tekal-Döner“ platziert. Verletzt wurde niemand. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei handelte es sich bei der Bombe um einen mit Sprengstoff gefüllten Sahnesiphon. In unmittelbarer Nähe zum Tatort nahm die Polizei Patrick W. fest. Der 19-Jährige ist stellvertretender Vorsitzender des Thüringer Landesverbandes der Jungen Nationaldemokraten (JN), der Nachwuchsorganisation der NPD. Die Polizei sprach von einem „dringenden Tatverdacht“.

Eine Zivilstreife sei zufällig in der Nähe patrouilliert und habe Patrick W., der aus der Richtung der kleinen Gaststätte weglief, eingefangen, sagte ein Polizeisprecher zur taz. In den ersten Vernehmungen bestritt W. den Vorwurf einer Täterschaft.

Die Polizei fand in W.’s Rucksack Handzettel der JN und Aufkleber zum Todestag von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß am 17. August. W. ist mehrfach der Polizei aufgefallen, auch wegen Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole. Spätestens heute Abend muss W. dem Haftrichter vorgeführt werden. Eine Hausdurchsuchung brachte gestern keine Beweise, dass W. den Anschlag ausgeführt hat.

Das Lokal liegt inmitten des eng bebauten Neubaugebiets Eisenach-Nord. „Doch eigenartigerweise hat niemand der Anwohner den sehr lauten Knall gehört“, beklagt der Polizeisprecher. Niemand habe zum Zeitpunkt der Detonation die Polizei verständigt. Gestern Mittag versammelten sich rund 50 Menschen vor dem „Tekal“. Zur Demonstration erschien auch die örtliche Politprominenz. Oberbürgermeister Gerhard Scheider (CDU) gesellte sich zum PDS-Landtagsabgeordneten Steffen Dittes. Als Zeichen der Anteilnahme wurden dem Lokalbesitzer Blumen überreicht. Seit Wochen machen Neonazis mobil in Erfurt und Umgebung. Vor vierzehn Tagen überfielen vier Jugendliche zwei afrikanische Asylbewerber. Sie warten in Untersuchungshaft beziehungsweise in einem Jugendheim auf ihren Prozess. Seit Anfang dieser Woche kursieren vermehrt Flugblätter und Plakate zum Heß-Todestag. Die Rechten verteilen Zettel, auf denen „ausländerfreie Zonen“ gefordert werden.

Die Festnahme eines JN-Funktionärs dürfte alle bestärken, die ein Verbot der NPD fordern. Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin sagte gestern: „Wenn das Verbot möglich ist, machen wir es.“ ANNETTE ROGALLA

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