Buletten statt edler Happen

Nach dem erzwungenen Abstieg in die Regionalliga ist TeBe auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt: Wo überdrehte VIPs Sekt schlürften, klirren jetzt Biergläser

Die guten Zeiten sind vorbei. Wer nach dem Lizenz-Entzug für Tennis Borussia mit dem Auto zu einem Heimspiel des in die Regionalliga zwangsabgestiegenen Vereins fährt, findet am Mommsenstadion wieder genug Parkraum. Wo sich in der letzten Zweitliga-Saison protzige Karossen der Spieler stauten, klaffen jetzt große Lücken. Die aktuel- len Akteure, überwiegend unbekannte Kicker aus Amateurelf oder A-Jugend des Vereins, kommen schon mal per S-Bahn zur Arbeit nach Charlottenburg.

„Wir wollen keine Spieler mehr, die Dollar-Noten in den Augen haben“, hat Präsident Erwin Zacharias nach der Niederlage im Lizenzverfahren gesagt. Derselbe Zacharias hatte vor zwei Jahren noch getönt, sein Klub wolle spätestens 2005 im europäischen Geschäft mitmischen. Aber dann ließ ihn seine teure Truppe im Stich.

Statt in die Erste Bundesliga aufzusteigen, wie es eigentlich Pflicht gewesen wäre, zerstritten sich die Millionenverdiener heillos. Nur um einen Punkt entgingen die satten Profis dem sportlichen Abstieg. Den Rest besorgte der dilettantisch anmutende Lizenz-Streit, den die Klubleitung gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) vom Zaun brach.

Heute hört man in Charlottenburg andere Töne. Selbst in der Klubgaststätte an der Waldschulallee. Hier klirren wieder Biergläser, wo zuletzt überdrehte VIPs und Spielerberater Sekt schlürften. Statt an edlen Happen auf weiß gedeckten Tischen fingern die Fans heute an Buletten und trinken dazu ihre Molle. Der Fußball hat TeBe wieder.

Der Verein hat einen radikalen Sparkurs einschlagen müssen. Wurden im Vorjahr 35 Millionen Mark für eine charakterlose Mannschaft verpulvert, beläuft sich der aktuelle Etat auf relativ bescheidene zehn Millionen Mark. 60 Prozent davon bestreitet der Hauptsponsor „Göttinger Gruppe“. Der Finanzkonzern soll jedoch angeschlagen sein, heißt es, seitdem die Staatsanwaltschaft wegen angeblich unlauterer Kapitalanlagen ermittelt.

Die Gerüchte wollen nicht verstummen, dass die „Göttinger“ den Absprung plant. Visuell ist der Bruch bereits so gut wie vollzogen. Zwar prangt das Logo des Geldhauses weiterhin vom Trikot der Borussen-Elf. Aber aus dem Stadion sind die traditionell übermächtigen Werbebanden der „Göttinger Gruppe“ fast verschwunden. Auf die Frage nach den Gründen reagiert TeBe-Manager Michael Plassmann gereizt: „Die Göttinger Gruppe bleibt Partner an der Seite von Tennis Borussia“, versichert er.

Den früheren Präsidenten Klaus-Volker Stolle befiel schon vor Monaten das Gefühl, das Borussen-Volk möge die „Göttinger Gruppe“ nicht mehr recht, obwohl das Finanzunternehmen den Traditionsklub 1996 vor dem Ruin bewahrte. „TeBe hat damals ein künstliches Herz erhalten. Jetzt ist der Patient dabei, das fremde Organ abzustoßen“, prophezeite der Hotelier.

Zur Zeit überlagert die Aufbruchstimmung unter dem neuen Trainer Mirko Slomka die drängenden existenziellen Fragen. Der „Jugendstil“ des Nachfolgers von Winfried Schäfer wirkt wie Balsam auf der Vereinsseele. 23 Jahre alt sind Slomkas Kicker im Durchschnitt, die meisten stammen – anders als ihre in Ungnade gefallenen Vorgänger – aus Berlin.

„Ich lege besonderen Wert auf Disziplin und Ordnung und passe genau auf, dass kein Spieler einen anderen ausbootet“, verspricht Slomka bei seinem ersten Engagement als Verantwortlicher eines Herren-Teams. Dafür sind ihm die Ovationen der Basis gewiss. Doch die Saison ist noch lang, und viele Borussen denken mit gemischtem Gefühl daran, was die nächste Zeit wieder alles bringen kann. Vielleicht ja wieder volle Parkplätze und ein VIP-Buffet in der Vereinsgaststätte. JÜRGEN SCHULZ