Eine Deutsche mit Flüchtlingspass

Taies Farzan will Deutschland zu einem besseren Image in der Filmbranche verhelfen. Die jüngste Filmproduzentin hierzulande träumt davon, nie wieder über die Ausländerproblematik sprechen zu müssen. Jetzt wird sie eine deutsche Jüdin spielen

Interview SEMIRAN KAYA

 taz: Du trägst viel orientalischen Schmuck. Ist das persischer Schmuck?

Taies Farzan: Nein, der ist aus Aserbaidschan. Die Perser behängen sich wie eine Goldvitrine. Wenn die so mit den Menschen umgehen würden wie mit ihrem Schmuck, wären wir heute schon viel weiter.

Inwiefern?

Ich habe früher auch immer gemotzt und andere dafür verantwortlich gemacht, dass ich als Schauspielerin keine Rollen bekam. Aber man muss sich fragen, will ich was erreichen oder mein Leben lang jammern? Auch die meisten Perser, die mit deutschen Frauen verheiratet sind, reden immer noch von einem Deutschland, das 30 Jahre zurückliegt. Solange die sich nur über ihr Land identifizieren und alle Aktivitäten auf die Heimat beziehen, werden sie auch nicht weiterkommen.

Du bist Schauspielerin geworden . . .

Ja, vor neun Jahren. Angefangen mit Kabarett in Köln. Dann kamen Auftritte im Oberhausener Stadttheater bis zum Düsseldorfer Schauspielhaus. Ich hatte immer die Hauptrolle und alles auf Deutsch – und das, obwohl ich kein Deutsch konnte. Ich habe alles auswendig gelernt und 50 Mal gespielt. Erst ab dem 51. Mal wusste ich, worum es ging.

Hielt der Erfolg an?

Schön wär’s. Als ich mich nach neuen Aufträgen umschaute, wurde mir klar, dass man mich als Ausländerin nicht ernst nimmt. Und so bin ich aus Unsicherheit zum persischen Theater gegangen. Aber auch dort gehörte ich nicht hin. Bei anderen Castings stellte sich heraus, dass ich Rollen nicht bekam, weil ich schwarze Haare habe und ausländisch aussehe. Ich bekam Rollen, wo ich eine Türkin spielen sollte. In den Staaten ist das ganz anders. Dort zählt der Mensch als Künstler mit seinem Können und nicht als Ausländer.

Ist das tatsächlich so?

Meine Eltern sind auch Künstler. Mein Vater ist Filmregisseur und meine Mutter Schauspielerin und Synchronsprecherin. Wir haben ein Jahr lang in den Staaten gelebt, ein halbes Jahr in England verbracht und nach der Revolution sind wir nach Istanbul geflüchtet. In Istanbul, wo wir sechs Jahre gelebt haben und auch fliehen mussten, hatten wir ein klasse Leben. Dort arbeitete mein Vater in Yesilcam – dem türkischen Hollywood. Heute fliege ich selbst immer wieder in die Staaten, um neue Projekte auf die Beine zu stellen.

Dann ist dir die Schauspielerei in die Wiege gelegt worden?

Irgendwie schon. Aber ich habe es gehasst – es war langweilig. In der Türkei war ich diplomierte Folkloretänzerin.

Hast du mehr deutsche oder mehr persische Freunde?

Ich habe mehr türkische als persische und deutsche Freunde, weil ich mich mit ihnen besser fühle. Meine persischen Freunde sind meist viel älter – so wie mein Partner, mit dem ich auch gerne zusammenarbeite. Aber normalerweise werde ich von den anderen nicht ernst genommen. Und die lästern viel. Iraner und Türken haben Probleme miteinander, weil beide nationalistisch sind. Ich muss ständig meine türkischen Freunde in Schutz nehmen, weil die Perser alte Geschichten aufrollen und behaupten, dass die Türken zurückgeblieben sind. Alles wird verallgemeinert. Anstatt zu sehen, dass es überall kranke oder bekloppte Menschen gibt.

Sind deine Eltern glücklich, dass du einen iranischen Freund hast?

Überhaupt nicht! Die sind richtig verzweifelt. Wegen der Tradition wollte meine Mutter ja weg vom Iran. Sie versteht nicht, warum ich mit einem Perser zusammen bin. Aber mein Freund ist mehr amerikanisch als persisch.

Sind die iranischen Männer hier weniger traditionell?

Lernt man einen tollen Typen kennen, der dich interessant findet, weil du das bist, was du verkörperst, oder weil du offener mit der Partnerschaft umgehst, stellt sich nach einer gewissen Zeit heraus, dass auch er unbedingt eine Jungfrau haben will. Das ist ein Schlag. Da kann ich nur fragen, ob er denn auch noch Jungfrau sei. Nö, der Mann muss ja Erfahrungen haben wird argumentiert. Außerdem lästern orientalische Männer über einen nach der Beziehung. Meine letzte Beziehung stand in allen Zeitungen. Ich war naiv und habe ein hohes Lehrgeld zahlen müssen.

Hast du Ziele?

Ich will mit meiner Arbeit unabhängig von meinem ausländischen Aussehen dazu beitragen, Deutschland im künstlerischen Bereich zu öffnen. Ich bin eine Weltkünstlerin. Aber ich will die Ideen hier verwirklichen. Marlon Brando zum Beispiel wollte im Juli nach Deutschland kommen und uns bei unserem Projekt „get connected – unification 2000“ unterstützen. Auch Bob Dylan, Elton John und Bon Jovi hatten zugesagt, aber es ist an den Finanzen gescheitert. Dabei wäre es eine Chance gewesen, Deutschland filmisch international aufzuwerten. Aber Sponsoren wie Sat.1 sagten, dass Marlon Brando nicht ihre Zielgruppe ansprechen würde. Er sei zu alt und zu fett. Drei Monate später war Brando auf CNN zu sehen, wo er für die italienische Telekom einen Werbespott für 5 Millionen Dollar bekam. Da kriege ich echt Vorurteile gegen Deutschland.

Und hast du einen Traum?

Ja, nie wieder über die ganze Ausländerthematik reden zu müssen. Ich denke, in 50 Jahren werden die Deutschen mehr ausländisch als deutsch aussehen, wegen der vielen binationalen Paare. Mein größter Traum ist, unser Projekt „get connected“, in dem sich Menschen für eine Minute in fünf Kontinenten gleichzeitig verbinden, stattfinden zu lassen.

Hast du eigentlich einen deutschen Pass?

Noch habe ich einen Flüchtlingspass, aber ich werde ihn beantragen.

Gibt es zurzeit Angebote?

Ja, von Angelika Levi. Mit Hilfe einer Farblinse werde ich für das ZDF eine deutsche Jüdin spielen. Parallel arbeite ich an einem kurdischen Filmprojekt im Irak. Abgesehen davon bin ich die jüngste Filmproduzentin, sagt man. Ich habe meinen ersten Film nicht produziert, um das zu beweisen, sondern weil ich es für nötig hielt. Was nervt, ist, dass jeder denkt, dass mein Freund dahinter steckt.

Was gefällt dir an Deutschland?

Dass die Menschen hier pünktlich sind, das alles eine Regel hat, man vieles erreichen und offen seine Meinung sagen kann. Aber, wenn diese Regeln zu viel werden, geht es zu Lasten der Spontanität. Andererseits gefällt mir nicht, dass die Orientalen sehr unpünktlich sind.

Und die Orientalin in dir?

Eine Bekannte aus dem Iran sagte mal zu mir, dass wir Perser hier in Deutschland total zurückgeblieben sind, weil ich mit 19 Jahren keinen Freund hatte. Im Iran hätten sie selbst mit Kopftuch mehr als einen Freund und feiern Partys, auch wenn sie den Wächterrat bezahlen müssten.